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Sonntag, 23. September 2012

{Rezension} Die Stadt aus Gold und Silber von Kenizé Mourad




Übersetzer: Doris Heinemann
Genre: Historischer Roman / 
Indien 19. Jahrhundert
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN: 978-3-7645-0448-9
Erscheinungsdatum: 21. Mai 2012
Preis: 19,99 €


Die Seele des Widerstands

Als vierte Frau des Königs von Awadh lebt die junge Hazrat Mahal wohlbehütet im Harem von Lakhnau. Doch hiermit ist es vorbei als das britische Königreich am 07. Februar 1856 nun auch die Stadt aus Gold und Silber annektiert. Der König flieht nach Kalkutta ins Exil und Hazrat wie auch die anderen Ehefrauen und Favoritinnen von König Wajid Ali Shah sehen sich den britischen Besatzern gegenüber, die sie schon bald aus dem Palast vertreiben. Zusammen mit Radscha Jai Lal organisiert Hazrat den Widerstand und nimmt als Regentin von Awadh den Kampf gegen die übermächtigen Kolonialherrn auf.
Man merkt praktisch von der ersten Seite an, dass Kenizé Mourad sich bestens  mit der Geschichte Indiens während der Kolonialherrschaft Englands durch die Ostindiengesellschaft auskennt und hier ganz besonders mit der Annexion des nordindischen Reiches Awadh. Viele historisch belegte Zitate lässt die Autorin zudem immer wieder in den Roman mit einfließen, die durch Sternchen gekennzeichnet sind und natürlich verwendet sie viele indische Fachbegriffe und Fremdwörter, die im Glossar nachgelesen werden können.


Prall und bildhaft beschreibt die Autorin zumeist das Leben der jungen Hazrat Mahal (1820 – 1879), die als Waisenmädchen mehr durch Zufall von Kurtisanen aufgenommen wird und hierdurch bald Kontakt zum Palast erhält. Durch ihr selbstsicheres Auftreten fällt sie dem König auf, der sie schon bald zu seiner vierten Frau nimmt. Hazrat ist im Harem eher eine Außenseiterin; lieber dichtet und liest sie als sich dem Klatsch und Tratsch der übrigen Frauen anzuschließen. Mithilfe ihres Eunuchen ist Hazrath zudem immer über die aktuellen politischen Geschehnisse in Lakhnau informiert; Mammoo ist ihr Auge und ihr Ohr in der Stadt.

Anschaulich erzählt Kenizé Mourad, wie sich das Leben Ende des 19. Jahrhunderts in Indien unter der Kolonialherrschaft Englands gestaltet hat. Sehr deutlich schildert sie die Überheblichkeit und die Arroganz, welche die Ostindiengesellschaft gegenüber den Einwohnern Indiens an den Tag legen; für diese sind sie nur „die Eingeborenen“, „die Neger“, Bedienstete eben, die nicht weiter beachtet werden müssen. Besonders nach der Annexion bekommt das indische Volk dies massiv zu spüren, sie werden überhaupt nicht mehr respektiert, gedemütigt, ihrem Stolz beraubt, schamlos ausgebeutet und wahllos ermordet.

Das hervorragend funktionierende Wirtschaftssystem, welches bisher im Königreich Awadh sehr erfolgreich war und auch armen Menschen ein recht sorgenfreies Leben garantierte, bricht binnen kürzester Zeit zusammen. Zudem lebten bisher Hindus und Muslime friedlich miteinander und selbst Christen wurden voll und ganz respektiert. Dies ändert sich durch die Machtübernahme der Briten ebenfalls durch ihre Art der Christianisierung.

Kenizé Mourad ist ein opulenter und praller Roman gelungen, doch stellenweise gibt die Autorin einfach den historischen, trockenen Fakten zu viel Raum, sodass man stellenweise das Gefühl hat, mehr ein Geschichtsbuch anstelle eines Historischen Romans zu lesen. Gerade als die Ereignisse anfangen sich zu überschlagen und die Erzählstränge ständig zwischen der britischen Armee und der Regentin von Awadh wechseln, wirkt der Erzählstil oft schon sehr sachlich und distanziert.

Dies war auch mit ein Grund, dass Hazrat Mahal, wie auch Mammoo oder Radscha Jai Lal und auch die britischen Mitwirkenden, hier besonders natürlich Sir Henry Lawrence, für mich keine richtigen Konturen annahmen, stellenweise kamen sie mir wie Statisten vor, die nun mal bei den historischen Geschehnissen dabei waren, aber ein Mitfiebern fand – zumindest bei mir – kaum statt.

Fazit: Für Indien-Fans ist dieses Buch sicherlich ein absolutes Muss, besonders wenn man sich für die Geschichte Indiens während der Kolonialherrschaft interessiert. 

Die Autorin:

Kenizé Mourad wurde 1940 in Paris geboren. Ihre Mutter war die letzte türkische Sultanin, ihr Vater der indische Radschah von Badalpur. Sie arbeitet als Journalistin. Ihr Weltbestseller Im Namen der toten Prinzessin wurde in 30 Sprachen übersetzt.

3 Kommentare:

  1. doch stellenweise gibt die Autorin einfach den historischen, trockenen Fakten zu viel Raum, sodass man stellenweise das Gefühl hat, mehr ein Geschichtsbuch anstelle eines Historischen Romans zu lesen.

    -Was für mich der Grund war, das Buch abzubrechen. Ich fand den Schreibstil einfach nur schlecht.

    Ich habe eine Passage abgetippt, bei der es deutlich wird:

    *Einige Tage darauf wird bekannt, dass sich das 19. Infanterieregiment in Berhampur, nördlich von Kalkutta weigert, die neuen Patronen zu benutzen. Mitte März greift die Bewegung auf das Waffendepot in Ambala über, wo Abordnungen von einundvierzig Regimentern versammelt sind, um sich in die Handhabung des neuen Gewehrs einweisen zu lassen. Am 29. März schießt der Sepoy Mangal Pandey, ein Angehöriger der Brahmanen-Kaste, auf einen britischen Offizier, und verletzt einen weiteren mit dem Säbel, dabei ruft er seine Waffenbrüder dazu auf, zu revoltieren und ihre Religion zu verteidigen.*
    http://nomasliteraturblog.wordpress.com/2012/06/17/abgebrochen-die-stadt-aus-gold-und-silber/

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    1. ja, genau so eine Passage habe ich gemeint mit Geschichtsbuch. Aber den Schreibstil ansonsten fand ich wirklich gut und was mich bei der STange gehalten hat, waren wirklich die vielen Informationen, welche die Autorin mit einfließen lässt. Das fand ich alles schon sehr interessant.
      LG Isabel

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    2. Interessant ja, aber wenn ich einen Roman lese, dann möchte ich einen Roman lesen und kein Sachbuch.

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