Leseempfehlungen

Dienstag, 28. September 2010

{Rezension} Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne

Verlag: Fischer Verlag 
Übersetzer: Brigitte Jakobeit 
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Genre: Historischer Roman
ISBN: 3596852285
Erscheinungsdatum: 27. Juli 2007
Preis: 19,95 €

Eindeutig kein Kinder- und Jugendbuch!

Bei diesem Buch von John Boyne bin ich hin- und hergerissen. Zum einen hat mich der Sprachstil des Autors wieder sofort überzeugt. Scheinbar mühelos gelingt es ihm bereits von der ersten Seite an, eine Atmosphäre aufzubauen, die einfach nur als hervorragend zu bezeichnen ist. Sofort erhält man ein Gefühl für die Geschichte, taucht regelrecht in diese ein und sein bildhafter Schreibstil sorgt dafür, dass man augenblicklich jede Szene vor Augen hat.

Ich bin ziemlich unbefangen und auch unwissend in Bezug auf den Inhalt an den Roman herangegangen, wobei ich schon wusste, dass er von zwei kleinen Jungen erzählt, die sich im Umfeld eines KZ kennenlernen, und dass es sich hierbei um ein Kinder-und Jugendbuch handelt. Das Buch wurde mir empfohlen als ein anrührender, wunderbar geschriebener Roman und auch die Bewertungen zu diesem Buch haben mich überzeugt, es mir zu kaufen, ohne hierbei auch nur eine Rezension dazu gelesen zu haben. Was ein Fehler war, zumindest für mich. Ich habe bisher immer noch keine Rezension dazu gelesen, um einfach unbeeinflusst meine schreiben zu können, werde es aber danach nachholen.

Wie gesagt, anfangs war ich von dem Erzählstil, den ich bereits von seinem Roman „Das Haus zur besonderen Verwendung“ kannte, wieder total gefesselt. Doch je länger ich las umso wütender bin ich geworden. Zum einen ist mir schon recht bald die Naivität von Bruno unangenehm aufgestoßen. Wie kann ein Neunjähriger, der im direkten Umfeld des NS-Regimes aufwächst, so unwissend sein. Wenn sein Vater ein ranghoher Kommandant war, der selbst mit Adolf Hitler und Eva Braun im Kreis seiner Familie zu Abend isst, wie kann dieser seinem Sohn dann nicht eine „angemessene“ Erziehung zukommen lassen, sprich: Bruno müsste zumindest in der Hitlerjugend gewesen sein, zumal sein Vater ja voll hinter dem kranken Gedankengut der Nazis stand. Da muss es doch sein oberstes Ziel gewesen sein, seinem einzigen Sohn dies auch so schnell wie möglich zukommen zu lassen.

Dann kommt hinzu, dass Bruno nicht fähig ist, dass Wort Führer richtig auszusprechen und auch Auschwitz ist wirklich nicht so schwer zu sprechen, als dass er es nicht nach den mehrmaligen Verbesserungen, die im Roman erwähnt wurden, richtig hätte wiedergeben können. Zumal er mit anderen Wörtern absolut keine Probleme hat. Mir ist auch nicht klar, was der Autor hiermit bezwecken wollte, außer dass es mit der Zeit nervt und einem an Brunos Intellekt zweifeln lässt oder wollte er damit die kindliche Naivität hervorheben, wie diese mit einem Thema umgehen. Dann hätte er aber das Alter seines Protagonisten um einiges jünger wählen müssen, so wirkt es einfach nur unglaubwürdig.

Dann Brunos Gedanken: Sie drehen sich ausschließlich um das Haus in Berlin, um seine drei besten Freunde und das er keine Spielkameraden in Auschwitz hat und unbedingt wieder nach Hause will. Lange Zeit interessiert ihn nichts anderes. Natürlich ist dies nachvollziehbar, zumal Bruno von dem lebendigen Berlin in eine solche Einöde katapultiert wird. Aber welcher aufgeweckter Junge, und als dieser wird Bruno einem vermittelt, hätte sich nicht spätestens nach einer Woche auf Entdeckungstour an dem neuen Ort begeben, da er ja unbedingt Forscher werden möchte. Auch ansonsten hatte ich das Gefühl, dass Bruno nur mit riesengroßen Scheuklappen durchs Leben läuft und das Gemüt eines Fünfjährigen, aber keinesfalls die Intelligenz eines neunjährigen Jungen besitzt.

Er lebt in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz und bekommt über die Vorgänge, die sich dort abspielen, ebenfalls nichts mit? So wie es in dem Buch beschrieben ist, trennte nur ein Zaun die Gefangenen von den Nazis. Im Haus sind ständig Nazi-Schergen ein und aus gegangen, wie kann man da nur so desinteressiert sein? Wenn der Autor damit vermitteln will, dass auch viele Erwachsene im 2. Weltkrieg ihre Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen haben, lass ich dies so aber auch nicht stehen, da Bruno genug Menschen um sich herum hatte, die er gezielt fragen konnte, ohne Angst um sein Leben haben zu müssen.

Nie werden von Bruno Ereignisse genauer hinterfragt und gerade in dem Alter sind doch Kinder besonders neugierig und wissbegierig. Ihn interessiert kaum das kränkliche Aussehen von Schmuel, sondern er registriert nur, dass der jüdische Junge etwas grau im Gesicht ist und dünn aussieht. Zumindest scheint er mit der Zeit schon verstanden zu haben, dass Schmuel Hunger leiden muss, aber selbst hier denkt Bruno erst einmal nur an sich und futtert das für Schmuel gedachte Essen meist zur Hälfte auf dem Weg zum Zaun selbst. Das zeigt doch deutlich, dass ihm absolut nicht bewusst ist, wie schlimm es Schmuel hinter dem Zaun gehen muss und wer schon mal Bilder von KZ-Häftlingen gesehen hat, für den ist dies schwer vorstellbar. Da muss doch auch ein Neunjähriger ins Grübeln kommen.  Dann der Zaun! Für mich ist es nicht vorstellbar, dass die Umzäunung eines KZ’s so nachlässig war und so unzureichend gesichert. Und wie war es Schmuel möglich, sich jeden Tag unbemerkt an die Grenze des Lagers zu begeben, ohne dass auch nur ein Soldat dies jemals bemerkt hat.

Hier wird einfach ein total falsches Bild eines Konzentrationslagers und dem Leben darin vermittelt und das ist gefährlich.  Besonders erschreckend fand ich die Szene, als Schmuel von der Verhaftung seiner Familie, dem Leben im Getto und der anschließenden Verschleppung nach Auschwitz erzählt. Hier stellt Bruno immer wieder Vergleiche mit seinem Leben an, schließlich sei er ja auch nicht freiwillig von Berlin weggezogen. Das ist purer Hohn und verharmlost ungemein das Schicksal von Schmuel und seiner Familie.

Selbst als Märchen kann ich die Geschichte nicht ansehen, dafür ist das Thema einfach zu brisant. Als Autor hat man gegenüber seiner Leser auch eine gewisse Verantwortung, vor allem wenn die Zielgruppe Kinder oder Jugendliche sind.  Und hier wird meiner Meinung nach sehr schlecht recherchiert auf ein Thema eingegangen, dass einfach sehr gut recherchiert vermittelt werden muss. Hinzu kommt, dass Berlin Anfang der 40er Jahre noch als Paradies dargestellt wird, in dem die Gemüse- und Obststände überquellen und Menschen bei schäumenden Getränken lachend auf der Straße sitzen und das 1943! Dass nachts Verdunklung angesagt war, wird hier nur am Rande erwähnt.

Ok, das Buch ist ein Roman und somit hat der Autor ein Recht, Fiktion und Wahrheit zu vermischen und sich auch schriftstellerische Freiheiten zu erlauben. Allerdings sollte man sich auch bei einem Roman an offensichtliche Tatsachen halten.

Etwas entschädigt hat mich das Buch dann mit seinem Ende, das mich wirklich überrascht und auch berührt hat und der jungen Leserschar vielleicht doch einen winzigen Blick auf das wahre Leben im 2. Weltkrieg und dem Holocaust werfen lässt.

Fazit: Ein anrührendes, wunderbar geschriebenes Buch, keine Frage. Aber als Kinder- und Jugendbuch absolut nicht empfehlenswert, da für das ernste Thema viel zu schlecht recherchiert wurde und so ein völlig falscher Eindruck des Holocaust vermittelt wird.

{Leseeindruck} American Devil von Oliver Stark

Verlag: Piper Verlag
Übersetzer: Gabriele Weber-Jaric, Bettina Zeller
Genre: Amerikanischer Thriller
ISBN: 9783492259231 
Taschenbuchausgabe: 448 Seiten
Erscheinungsdatum: 25. Oktober 2010
Preis: 9,95 €


Rosenblüten am Tatort

Schon allein der Prolog bereitet Gänsehaut beim Lesen und zeigt auf, dass man es hier wieder einmal mit einem äußerst perfiden Mörder zu tun bekommt. Es ist der Valentinstag des Jahres 1982 als ein Junge in West Virginia in das Elternhaus eines jungen Mädchens eindringt, um ihr seine Liebe zu gestehen. Mit dabei hat er einen Strauß Rosen. Als er schließlich unbemerkt von den Eltern im Zimmer der jungen Chloe Mestella ankommt, beobachtet er sie erst einmal verzückt bevor er sich ihr nähert. Ohne die Chance seine Gefühle zu kontrollieren, legt er sich auf sie, wovon Chloe erwacht und verzweifelt versucht, freizukommen. Als der Junge ihr seine Liebe gesteht und sie fragt, ob Chloe seine Freundin werden möchte, verneint diese voller Angst. Aus lauter Verzweiflung, Wut und Zorn ob dieser Absage erwürgt er sie. Bei diesem kurzen Handlungsstrang ist schon deutlich zu spüren, dass der Junge in seiner eigenen, kranken Welt lebt und eindeutig gestört sein muss.

Dann macht die Leseprobe einen Sprung zu Kapitel 15 bzw. Seite 79 und man begleitet die Detectives Eddie Kasper und Tom Harper, die dem Blue Team des NYPD angehören, zu einer Konferenz mit ihren Kollegen. Ihr Chef hat diese einberufen, da eine große New Yorker Zeitung am nächsten Tag über einen Serienkiller berichten wird, gegen den Eddie und Tom bereits längere Zeit ermitteln. Immer wieder werden in einem reichen New Yorker Vorort junge, blonde Frauen auf bestialische Weise ermordet vorgefunden, doch dem Täter kommt die Polizei einfach nicht auf die Spur. Nun soll genau hierzu ein Zeitungsbericht von Erin Nash veröffentlicht werden, der Insiderinformationen enthält, die auf keinem Fall an die Öffentlichkeit dringen dürfen. Sogar einen Namen hat die Öffentlichkeit dem Serienmörder schon gegeben: American Devil.

Nachdem wieder einige Seiten übersprungen wurden, beschreibt Oliver Stark nun die Vorgehensweise des Mörders. Hierbei handelt es sich um einen charmant wirkenden und wahrscheinlich auch gutaussehenden Mann, der diese Attribute für sich nutzt, um so Bekanntschaften mit seinen zukünftigen Opfern zu knüpfen. Und das Perfide daran, er gibt ihnen sogar noch eine Chance, sie nicht zu töten und spielt hier ganz geschickt mit deren Angst.

Jedem Kapitel ist Ort und Datum vorangestellt, wodurch davon auszugehen ist, dass sich der Thriller binnen weniger Tage oder Wochen abspielen wird. Man ahnt bereits, dass der Junge im Prolog nun gut 25 Jahre später das Morden wohl fortsetzen wird. Möglicherweise wurde er für seinen Mord an Chloe verhaftet und durfte die vergangen Jahre im Gefängnis oder aber in der Psychiatrie verbringen. Und nun kehrt er als gereifter Mann in den Vierzigern zurück, um seine krankhaften Neigungen fortzuführen und zu perfektionieren. Und der Drang zum Töten scheint in ihm immer stärker zu werden, denn die Abstände zwischen den Morden werden immer kürzer. Allein hierdurch ist davon auszugehen, dass sich der Thriller äußerst rasant und hochspannend entwickeln wird.

Oliver Stark erzählt sehr rasant, direkt und packend. Der Prolog weckt sofort die Neugier wie auch das rätselhafte Auftreten des Mörders und animiert regelrecht zum Weiterlesen. Auch seine Detectives Tom und Eddie nehmen bereits schnell Konturen an und wirken sehr sympathisch. Und so ein kleiner Hinweis am Rande lässt erahnen, dass der Charakter von Tom nicht gerade einfach gestrickt ist, sondern hier auch noch eine Überraschung für den Leser parat hält.


Montag, 27. September 2010

{Rezension} Das bernsteinfarbene Foto von Penelope J. Stoke

Verlag: Weltbild Verlag 
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN: 9783828994188
Genre: Frauenroman
Erscheinungsdatum: 2009
Preis: 9,95 €


Nichts ist so wie es scheint

An ihrem 25. Geburtstag erhält Diedre McAllister von ihrer todkranken Mutter ein besonderes Geburtstagsgeschenk: Ein Kästchen, in dem sich ein altes Foto sowie zwei Briefe ihrer angeblich toten Schwester Sissy befinden. Das kleine Mädchen auf dem Foto ist eindeutig ihre große Schwester  zusammen mit ihrem Vater und die Briefe beweisen, dass Sissy nicht gestorben ist, als Diedre noch sehr klein war. Ihre Mutter stirbt, ohne dass Diedre sie diesbezüglich fragen kann. Und auch von ihrem Vater erhält sie nur ausweichende Antworten. Der letzte Aufenthaltsort von Sissy ist laut den Briefen Seattle und so begibt sich Diedre zusammen mit ihrer Freundin Carlene auf den Weg zurück in ihre eigene Vergangenheit.

Anfangs stellt die Autorin ihren Lesern Kapitelweise die Mitwirkenden des Romans vor und so erhält man recht schnell einen guten Überblick und erfährt hierdurch auch schnell, in welcher Beziehung diese zu Diedre stehen. Später überwiegt der Erzählstrang von Diedre, bei dem nach und nach auch das eigentliche Thema des Romans ans Licht kommt, mit dem die Autorin sehr emotional umgeht.

Durch die lange Unwissenheit, was es mit dem Schicksal von Sissy auf sich hat und welchen Grund es gab, dass sie von zu Hause in jungen Jahren fortgeschickt wurde, fördert die Spannung und die Auflösung präsentiert einem die Autorin auch erst fast zum Schluss, sodass der Roman durchweg spannend und unterhaltsam angelegt ist.

Allerdings hat mich etwas der Sprachstil von Penelope J. Stokes gestört. Dem Thema bedingt ist er natürlich sehr emotional angelegt, was auch vollkommen in Ordnung geht. Jedoch ist ihre Erzählweise stellenweise schon recht schnulzig und auch sehr religiös gehalten, was mir doch des Öfteren unangenehm aufgestoßen ist. Und ab und an wird der Schreibstil auch ziemlich seicht, wenn dann des Öfteren von „Herzeleid“ und ähnlichem liest. Auch fand ich es nicht unbedingt passend und keinesfalls überzeugend, dass eine erwachsene Frau ihre Eltern immer noch als „Mommy“ und „Daddy“ bezeichnet, nach allem, was sie durch diese durchleiden musste.

Der Handlungsablauf der Geschichte ist bereits früh erkennbar und überrascht nicht sonderlich. Allerdings gelingt es der Autorin doch, die eine oder andere unvorhersehende Wendung einzubauen und hält hierdurch den Spannungs- wie auch den Unterhaltungswert recht hoch.

Ihre Figuren sind ziemlich schwarz-weiß gezeichnet und überraschen nicht wirklich, wirken jedoch zumeist glaubwürdig, auch wenn sich wirklich vielen Klischees bedient wird. Jedoch habe ich mich mit der Figur des sechsjährigen Sam ein wenig schwer getan. Der kleine Knirps legt eine Weisheit an den Tag, die selbst lebenserfahrene Menschen im hohen Alter nicht erreichen und ist für mich absolut überzogen dargestellt.

Fazit: Alles in allem ein kurzweiliger Roman, der sich schnell und flüssig lesen lässt, aber auch keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

{Rezension} Mädchenfänger von Jilliane Hoffman

Übersetzer: Sophie Zeitz
Genre: Amerikanischer Thriller
Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
ISBN: 3805208928
Erscheinungsdatum: 16. Juli 2010
Preis: 19,95 €



Nur die Jungfrauen dürfen leben

Zum wiederholten Male lauscht ein Mann den aufwühlenden Worten eines Predigers, während er an seinem Computer per Webcam das Zimmer eines jungen Mädchens beobachtet. Er tippt einen Satz ein und schon sieht er, wie das Mädchen freudig an den PC stürzt. Ein Haus im Süden Floridas. Hier wohnt die 13-jährige Lainey Emerson. Schon seit Minuten sitzt sie aufgeregt vor ihrem PC und wartet auf eine Nachricht von Zach, dem süßen 17-jährigen Jungen, den sie in einem Chatroom kennen gelernt hat. Als sich Zach endlich meldet und sie um ein persönliches Treffen bittet, sagt Lainey begeistert zu. Niemanden erzählt sie etwas von dieser Verabredung und als sie freitags zum vereinbarten Treffpunkt kommt, steigt sie nervös und überglücklich in Zachs Auto, ohne ihn sich genauer anzusehen. Als sie ihren Fehler bemerkt, scheint es zu spät zu sein.

Jilliane Hoffman greift in ihrem neuesten Thriller ein aktuelles Thema auf und vermittelt glaubwürdig, wie leicht es ist, junge Mädchen mit einer falschen Identität zu beeinflussen, mit Schmeicheleien zu täuschen und so ihre Gutgläubigkeit für seine Zwecke auszunutzen. Diese Leichtsinnigkeit macht sich ein Serienmörder zu nutze, der schon bald von der Öffentlichkeit den Namen „Picasso“ erhält. Geschickt wählt er seine Opfer aus zerrüttenden Familien aus, sodass deren Verschwinden meist erst einmal als Ausreißen gesehen wird und es somit seine Zeit dauert, bis mit den Ermittlungen begonnen wird.

Die Autorin lässt bereits gleich zu Anfang auch den Mädchenfänger zu Wort kommen. So erhält man einen kleinen Einblick in seine kranke, gestörte Seele, allerdings ohne den kleinsten Hinweis auf seine Identität zu erhalten. Man ist hierdurch zwar teilweise über seine Aktivitäten im Bilde, hat jedoch keine Ahnung, um wen es sich handelt, noch welch krankhafter Beweggrund hinter seinem Handeln steht.

Somit ist Spannung in dem Thriller einfach vorprogrammiert und sie hält sich auch mühelos über das gesamte Buch hinweg. Dazu trägt natürlich auch der packende, rasante und flüssige Schreibstil von Jilliane Hoffmann bei und ihr gelingt es zudem sehr gut, passend zu dem Thema eine fast schon beklemmende Stimmung aufzubauen und einem beim Lesen auch etwas nachdenklich zu stimmen. Zusätzlich sind einige überraschende Wendungen wie auch falsche Spuren in die Story eingebaut, die der Spannung auch nicht abträglich sind.

Ihr Protagonist ist der Ermittler Bobby Dees. Sein Spitzname ist Shepard (Shep), da er über Jahre hinweg erfolgreich viele vermisste Mädchen wieder auffinden und nach Hause zurückbringen konnte. Nur seine einzige Tochter nicht. Die 16-jährige Katy ist vor einem Jahr spurlos verschwunden und niemand weiß, ob sie ausgerissen ist oder einem Verbrechen zum Opfer fiel. Alle Versuche von Bobby sind bisher gescheitert, seine Tochter wieder zu finden. An dieser Ungewissheit droht seine Ehe zu zerbrechen. Sehr gut vermittelt Jilliane Hoffman hier die Hilflosigkeit von Bobby und LuAnn wie auch ihre Selbstvorwürfe und auch die Zermürbung, die ihre Situation auf Dauer mit sich bringt.

Und auch die Gefühle von Lainey beschreibt die Autorin eindringlich und überzeugend. Der 13-jährigen kann es mit dem Erwachsenenwerden nicht schnell genug gehen. Zusätzlich hat sie Probleme mit ihrer Familie. Ihr jüngerer Bruder ist der Kronprinz, wird von Mutter und Stiefvater verwöhnt und zu allem Überfluss klappt es in der Schule nicht, da sie dieses Schuljahr auf eine neue Schule wechseln musste, während alle ihre Freundinnen auf der alten  geblieben sind. So fühlt sie sich einsam, missverstanden und verloren und ist somit ein perfektes Opfer für den Mädchenfänger.

Fazit: Ein rasant erzählter Thriller, der von der ersten Seite an spannend ist und ein Thema beleuchtet, das aktueller nicht sein könnte.

{Rezension} Das Mysterium von Titus Müller

Verlag: Aufbau Verlag 
Taschenbuchausgabe: 469 Seiten 
ISBN: 3746625262 
Genre: Historischer Roman
Erscheinungsdatum: 23. Juli 2009
Preis: 9,95 €

Nemos Geheimnis

München im Jahr 1356: Mathildas Vater ist der erfolgreicher Kaufmann Neuhauser und so ist es ihr schier unverständlich, warum er verhaftet und in den Kerker geworfen wird. Mathilda glaubt an seine Unschuld und besucht ihn in seiner Zelle. Doch die Geschichte, welche ihr Vater ihr über sein Leben erzählt, erschüttert sie zutiefst. München, 1336: Der junge Nemo ist ein Meister der Täuschung, musste er sich als Waisenkind doch schon früh in seinem Leben behaupten. Doch Nemo hütet auch ein Geheimnis, von dem er bisher nichts wusste, bis der charismatische Sektenführer Amiel von Ax in München auftaucht. Dieser scheint etwas über Nemos Eltern zu wissen und so schließt Nemo sich dem Perfectus „der Reinen“ an, um mehr über seine Herkunft zu erfahren. Doch auch Amiel von Ax hofft, Nemo für seine Zwecke ausnutzen zu können, scheinen dessen Eltern ihm doch als Kleinkind ein wohlbehütetes Geheimnis anvertraut zu haben, was für die Katharer von entscheidender Bedeutung ist. Hauptsächlich ist Amiel von Ax aber in München, um die Menschen dort von dem Glauben „der Reinen“ zu überzeugen. Hier trifft er auf einen ebenbürtigen Gegner: William von Ockham, Franziskanermönch und Vertrauter von König Ludwig IV. Zusammen mit dem Stadtinquisitor Vinzenz versucht William von Ockham alles, um bei Amiel von Ax einen Grund für eine Verhaftung zu finden, doch der Perfectus ist ihnen immer einen Schritt voraus. Zwischen diese Fronten gerät der junge Nemo, was sein Leben nachhaltig beeinflussen wird.

Auffallend ist von Anfang an die fundierte Recherche zu diesem Buch, somit vermittelt Tituts Müller dem Leser ein hervorragendes Bild des mittelalterlichen Münchens. Zur damaligen Zeit hatten die Kirche und der Glaube zum täglichen Leben dazugehört und somit nimmt das Thema der Glaubensfrage eine zentrale Rolle in dem Roman ein. So ist auch ein Hauptakteur des Romans der Gelehrte und Franziskanermönch William von Ockham, der als Vorbild für William von Baskerville aus Umberto Ecos „Der Name der Rose“ diente. Dieser realen Figur setzt der Autor die erfundene Gestalt des Sektenführers Amiel von Ax gegenüber. Der „geistige Machtkampf“ der Beiden ist glaubhaft dargestellt und überzeugend vermittelt Titus Müller die charismatische Präsenz von Amiel von Ax, wie es ihm so scheinbar mühelos gelingt, das Volk mit seinen Lehren auf seine Seite zu ziehen.

Das Thema an sich verspricht eine interessante, spannende und auch mystische Geschichte aus dem Mittelalter. Dies ist sie stellenweise auch, allerdings oft auch sehr langatmig gehalten, besonders wenn es um kirchliche Auseinandersetzungen geht. Zwar vermittelt der Autor sehr gut seine Begeisterung für diese Epoche wie auch zu diesem Thema, allerdings ist die Liebe zum Detail manchmal recht ermüdend. So bleibt das eigentlich aufregende Leben von Nemo wie auch der Hintergrund der Geschichte stellenweise auf der Strecke und dadurch büßt die Geschichte an Spannung ein. Zudem kam meines Erachtens das Ende dann etwas zu schnell und war auch nicht unbedingt durchgängig nachvollziehbar umgesetzt und ließ somit einige Fragen offen. Allerdings ist es Titus Müller hervorragend gelungen, hier Fiktion und Wahrheit geschickt zu verknüpfen und was nun Wahrheit und was Fiktion ist, lüftet der Autor im Anhang des Buches.

Sehr charismatisch stellt Titus Müller die Figur des Katharers Amiel von Ax dar. Von ihm geht eine fast schon unheimliche Macht aus, die sich beim Lesen sehr gut überträgt. Und auch William von Ockham wird glaubwürdig und detailreich dargestellt. Wer mir allerdings etwas blass vorkam, war der Protagonist Nemo. Obwohl er wirklich sehr sympathisch beschrieben ist und man auch immer wieder Einblick in seine Gefühlswelt erhält, erhielt ich während des gesamten Romans keinen richtigen Bezug zu ihm. Das mag aber auch an mir gelegen haben.

Fazit: Wer sich explizit für Kirche und Glaubensfragen im Mittelalter interessiert und eine sehr komplex recherchierte, geschichtliche Darstellung wünscht, ist hier genau richtig. 

Freitag, 24. September 2010

{Rezension} Der Todesflüsterer von Donato Carrisi

Verlag: Piper Verlag
Übersetzer: Christiane von Bechtholsheim, Claudia Schmitt
Taschenbuchausgabe: 496 Seiten
Genre: Thriller International
ISBN: 3492257704
Erscheinungsdatum: Februar 2010
Preis: 9,95 €




„… Das Dunkle ruft uns, sein Sog lockt uns …“

Auf einem Waldstück wird durch Zufall ein grausiger Fund gemacht. Sechs linke Arme sind hier vergraben, die schnell fünf vermissten kleinen Mädchen zugeordnet werden können. Doch wem gehört der sechste Arm? Schon bald taucht die erste Leiche auf und ein erster Verdächtiger ist gefunden. Doch Profiler Goran Gavila und sein Team müssen feststellen, dass so einfach der Fall nicht zu lösen ist und der Serienmörder ganz bewusst Hinweise für sie auslegt. Doch werden diese Hinweise auf seine Spur führen?

Mit jedem weiteren Leichenfund decken die Ermittler auch ein weiteres Verbrechen auf, doch auf die eigentliche Spur des Mörders führen diese sie nicht. Ganz im Gegenteil, ganz bewusst spielt der Mörder hier ein perfides Spiel, in das auch immer mehr die Ermittler selbst mit einbezogen werden. Zusätzlich lastet der Druck nach der Suche des sechsten Opfers auf dem Ermittlerteam, denn je länger sie brauchen, das kleine Mädchen zu finden, umso geringer sind dessen Überlebenschancen.

Die Story ist sehr komplex angelegt und schon bald fällt auf, dass Donato Carrisi komplett auf Ortsangaben verzichtet. So ist für den Leser absolut nicht ersichtlich, in welcher Stadt oder gar in welchem Land sein Psychothriller angesiedelt ist. Und auch die Namen der Beteiligten lassen hier absolut keine Rückschlüsse zu.

Und was auch auffällt, ist sein Sprachstil. So verzichtet der Autor komplett auf reißerische Szenen, beschreibt keine einzige Gräueltat ausführlich und lässt somit sehr viel Raum für die Fantasie des Lesers. So sind alle Szenen nur angedeutet in ihrer Grausamkeit und das Kopfkino kann sich hier voll entfalten. Hinzu kommt, dass die ganze Atmosphäre des Thrillers eine gewisse Beklemmtheit, Traurigkeit und Düsternis ausstrahlt.

Zusätzlich kann sein Schreibstil eher als ruhig und sensibel bezeichnet werden, was dazu führt, dass man sich beim Lesen sehr gut in die Story einfühlen kann. Zudem geht er ausführlich auf die Gefühle seiner Protagonisten ein und gestattet ihnen ein Privatleben, was allerdings im Laufe des Thrillers noch einen wichtigen Aspekt darstellen wird.

Durch die Komplexität der Geschichte und den geschickt gelegten Wendungen gelingt es dem Autor mühelos, bereits von der ersten Seite an eine Spannung aufzubauen, die stellenweise sehr unterschwellig und subtil ist, nur um dann wieder zwischendurch richtig anzuziehen. So ist der Thriller bis zum Schluss äußerst fesselnd erzählt. Allerdings kamen mir zum Ende doch die einen oder anderen Ereignisse etwas konstruiert vor, was den Lesespaß jetzt aber nicht wirklich stört.

Seine Figuren zeichnet Donato Carrisi sehr detailreich und hier zeigt er auch auf, dass der erste Eindruck durchaus täuschen kann und alles nicht unbedingt so sein muss, wie es auf den ersten oder sogar auch auf den zweiten Blick zu sein scheint. Und auch der Grund der Titelwahl für den Thrillers wird am Ende gelüftet und zeigt hier ein Thema auf, dass einfach nur beängstigend ist und ein ungutes Gefühl beim Beenden des Buches zurücklässt.

Fazit: Mit „Der Todesflüsterer“ hält man einen sehr komplex und äußerst spannend angelegten Psychothriller in der Hand, über dessen stellenweise etwas konstruierte Handlung man gerne hinwegsieht.

{Rezension} Die Kampagne von David Baldacci

Übersetzer: Rainer Schumacher
Taschenbuchausgabe: 480 Seiten
Genre: Amerikanischer Thriller
ISBN: 3404163680
Erscheinungsdatum: 16. Februar 2010
Preis: 9,99 €




Zurück zur alten Weltordnung

Ein Video im Internet erschüttert die Welt. Weitere negative Informationen gegen Russland folgen im Netz, sodass bald nur noch von der „Roten Gefahr“ gesprochen wird und die Staaten mit einem panikartigem Aufrüstungen beginnen. Eine international operierende Geheimdienstorganisation setzt ihren besten Mann Shaw auf die Sache an, um hinter die Wahrheit und die Drahtzieher dieser Gräueltaten zu kommen. Zusammen mit der Reporterin Katie James, die durch Zufall in die Sache mit hineingeraten ist, versucht Shaw alles, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Doch er hat einen der mächtigsten Männer der Welt gegen sich.

David Baldacci behandelt in seinem neuesten Actionthriller das Thema „Perzeptionsmanagement“ (PM), dessen Arbeit einzig und allein darin besteht, gezielt falsche Wahrheiten in den Medien zu schalten, um bestimmte politische oder auch wirtschaftliche Ziele zu ermöglichen. Solch eine Beraterfirma gehört Richard Pender, der im Auftrag des Milliardärs und Rüstungsunternehmers Nicolas Creel die falsche Videos ins Internet setzen lässt, mit dem Ziel, die Zeiten des Kalten Krieges wieder aufleben zu lassen.

In seinem Nachwort weist David Baldacci darauf hin, dass der Begriff Perzeptionsmanagement mittlerweile Eingang in den allgemeinen Sprachschatz gefunden hat und das US-Verteidigungsministerium diesen Begriff sogar in seinen Handbüchern definiert, mittlerweile würden sogar diesen Dienst eine ganze Reihe von PR-Firmen anbieten. Allerdings gäbe es noch (!) keine ausgewiesenen Spezialisten, die sich perfekt auf diesen Job verstehen würden.

Bereits von der ersten Seite an katapultiert David Baldacci seine Leser hinein in den Actionthriller und lässt einem kaum die Möglichkeit, zum Luft holen. Sein Schreibstil ist sehr direkt und schnörkellos und trifft somit genau den richtigen Ton für solch einen Thriller. Durch die ständigen Perspektivwechsel und den überraschenden Wendungen gelingt es ihm zudem mühelos, die Spannung von der ersten Seite an auf hohem Niveau zu halten. Zwar weiß der Leser bereits sehr schnell, wer und welche Gründe hinter den Falschmeldungen stehen, doch die actionreiche Handlung wie auch das brisante Thema sorgen für gute Unterhaltung in bester James-Bond-Manier.

Sein Protagonist ist der typische, unbesiegbare Einzelkämpfer. Und doch gestattet der Autor dem Spion Shaw ein Privatleben, was dem Leser die Möglichkeit gibt, sich mit diesem introvertierten, sensiblen Mann anzufreunden. Ursprünglich hatte Shaw geplant, nach fast 6 Jahren beim Geheimdienst in den Ruhestand zu treten und seine schöne wie auch kluge Freundin Anna zu heiraten. Doch sein Chef Frank Wells hält hiervon absolut nichts, schließlich ist Shaw sein bester Mann und so gelingt es Frank auf erpresserische Art Shaw davon zu überzeugen, den Job zu übernehmen.

Zur Seite stellt ihm der Autor die Reporterin und zweifache Pulitzer-Preisträgerin Katie James, die nach einem traumatischen Erlebnis zu Alkoholikerin geworden ist und deren besten Zeiten bereits weit hinter ihr liegen. Doch bei diesem Fall wird ihr Reporterinstinkt wieder geweckt und so steht sie Shaw schon bald mutig zur Seite, um die Drahtzieher dieser Kampagne aufzuspüren. Und beide riskieren hierbei mehr als einmal ihr Leben.

Fazit: Alles in allem ist David Baldacci ein actiongeladener Thriller gelungen, der einen von der ersten Seite an fesselt und mit einem sehr interessanten Thema aufwarten kann.

Dienstag, 21. September 2010

{Rezension} Das Einstein Mädchen von Philip Sington

Verlag: dtv Verlag
Übersetzer: Sophie Zeitz
Broschierte Ausgabe: 464 Seiten
Genre: Historischer Roman
ISBN: 3423247835 
Erscheinungsdatum: 01. Juli 2010
Preis: 14,90 €


„… Dass der Irrsinn einen Sinn hat …“

Berlin im Mai 1933: Zwei Wochen nach dem rätselhaften Verschwinden ihres Verlobten, dem Psychiater Martin Kirsch, besucht Alma Siegel regelmäßig die Polizeidienststelle, um sich dort die Bilder unbekannter Toter zu betrachten. Doch erfolglos. Martin ist nicht dabei. Nach einem solchen Besuch macht sie sich auf den Weg in eine öffentliche Bibliothek, um dort die Zeitungsartikel über das Auffinden einer jungen Frau zu lesen. Diese wurde ein halbes Jahr vorher in einem Waldstück mehr tot als lebendig gefunden und in die Charité eingewiesen. Dort konnte sie zwar gerettet werden, hatte aber ihr Gedächtnis verloren. Da sie als einziges ein Prospekt von Albert Einstein bei sich hatte, erhält sie in der Charité den Namen „Das Einstein-Mädchen“. Besonders Martin interessierte sich für den Fall und war schon schnell von der jungen Frau fasziniert. Ihm gelang es, sie in seine Abteilung verlegen zu lassen, um sie dort zu behandeln. Der Fall von Maria, den Namen, den sie sich selbst gegeben hatte, interessierte ihn immer mehr und so machte er sich daran, die Hintergründe der Amnesie von Maria zu entschlüsseln und entdeckte hierbei ein menschliches Drama, welches viele Jahre vorher bereits begann.

Nachdenklich, ruhig und sehr flüssig erzählt Philip Sington die Geschichte von Maria und Dr. Martin Kirsch. Immer wieder lässt er geschichtliche Ereignisse mit einfließen und geht auch detailliert auf die Behandlungsarten der Psychiatrie der damaligen Zeit ein. Hierdurch erhält man nach und nach ein sehr gutes Bild über das Leben zwischen den beiden Weltkriegen. Und so spürt man deutlich, wie die Menschen immer noch mit den Nachwirkungen des 1. Weltkrieges, besonders auch mit der Trauer um gefallene Familienmitglieder, zu kämpfen haben, während sie sich gleichzeitig auf die Machtübernahme von Adolf Hitler einstellen. Dessen Politik hatte bekanntermaßen wenig für psychisch kranke Menschen übrig, was die Ärzte in der Charité und hier natürlich auch Martin deutlich zu spüren bekommen. Die Einblicke, welche man in die Behandlungsarten von damals erhält, sind stellenweise schon sehr erschreckend beschrieben. Jedoch nehmen diese Erklärungen wie auch weitere zeitgenössische Erläuterungen nur so viel Raum ein, um unterschiedliche Verhalten zu erklären und somit die Geschichte harmonisch abzurunden, ohne langatmig zu werden.

Immer wieder wird ein Erzählstrang in Briefform eingefügt, der neugierig macht auf den Fortgang der Geschichte und erkennen lässt, dass der Schlüssel um Marias heutigem Zustand in der Vergangenheit zu finden ist, in der Albert Einstein eine maßgebliche Rolle spielt. Hier verknüpft der Autor geschickt Fiktion und Realität zu einer schlüssigen Geschichte, die nach ein paar Kapiteln um ein ½ Jahr in der Erzählung zurückgeht und so nach und nach somit die Erklärung für das Verschwinden von Martin bietet. Allerdings ist der Roman in keiner Weise als historischer Krimi oder gar Thriller zu bezeichnen, da er keine dieser Aspekte aufweist, sondern es handelt  sich hierbei um einen schönen, emotional erzählten Roman.

Die Figuren sind gut herausgearbeitet und detailreich angelegt. Besonders interessant ist hier natürlich der Charakter von Maria, bei der es sich um eine hochintelligente junge Frau handelt auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Auch Alma Siegel, die Verlobte von Martin, wird glaubwürdig in ihrer hartnäckigen, unbeirrbaren und stolzen Art dargestellt. Neben Maria ist Martin Kirsch der zweite Protagonist des Romans. Sein Verhalten wirkt für den Leser sehr sensibel, kann als stur und selbstlos im Bemühen um Maria bezeichnet werden und verwundert aber auch, da die Menschen in seinem Umfeld ihn eher als unnahbar, arrogant und selbstherrlich beschreiben.

Fazit: Philip Sington erzählt überzeugend in einem ruhigen, nachdenklichen Schreibstil seine Geschichte, welche am Ende zwar mit einer vorhersehbaren Lösung aufwartet, dennoch aber noch überraschen kann und den Zeitgeist der 1930er Jahre sehr gut einfängt.

Montag, 20. September 2010

{Leseeindruck} Böse Dinge geschehen von Harry Dolan

Verlag: dtv Verlag
Übersetzer: Martin Ruben Becker
Taschenbuchausgabe:  380 Seiten
Genre: Amerikanischer Thriller
ISBN: 3423248122
Erscheinungsdatum: 01. November 2010
Preis: 14,90 €




Ein scheinbar nicht beabsichtigter Mord

David Loogan ist im Baumarkt unterwegs, einen Spaten zu kaufen. Schließlich benötigt man diesen, wenn man eine Leiche vergraben will.

Rückblick: Eigentlich ist David ja ein ganz normaler 38-jähriger Mann. Er lebt im Städtchen Ann Arbor in einem kleinen, gemieteten Häuschen, trinkt mittags beim Zeitung lesen seinen Kaffee und sieht sich gerne Filme an. Durch einen Bericht in einer Zeitung kommt ihm die Idee für eine Geschichte und so versucht er sich daran. Als der Plot zu seiner Zufriedenheit ist, gibt er das Manuskript beim Zeitungsverlag „Gray Streets“ ab. Doch die Geschichte lässt ihn keine Ruhe und so schreibt er die Geschichte immer wieder um, nur um diese ein zweites Mal bei der Zeitungsredaktion abzugeben. Als er nunmehr seine dritte Version anonym abgeben will, wird er vom Chef der Zeitung, Tom Kristoll, überrascht, der ihn vom Fleck weg als Lektor engagiert.

Den Sommer über wird Loogan immer mal wieder von Kristoll eingeladen und bei einer dieser Einladungen lernt er auch dessen Frau kennen. Schnell beginnen die Beiden eine Affäre, welche sie vor Tom geheim halten. Der Sommer geht ins Land und im Herbst kommt dann ein Anruf von seinem Chef, der ihn letztendlich veranlasst, einen Spaten zu kaufen.

Kristoll hat angeblich in Notwehr einen Einbrecher erschlagen und dieser muss weg. Die Polizei einzuschalten, kommt für ihn nicht in Frage. Sehr souverän geht Loogan mit der Tatsache wie auch mit der Leiche um, was einen vermuten lässt, dass es sich bei dem Einbrecher nicht um den ersten Toten handelt, den er sieht. Und überraschend ist auch, wie schnell sich Kristoll auf diese Situation einstellt und beim Vergraben der Leiche die Führung übernimmt. Das ganze wirkt ziemlich abgeklärt und routiniert.

Der Schreibstil von Harry Dolan ist leicht ironisch, sehr locker und unterhaltsam, wobei es ihm mühelos gelingt, seinen Protagonisten David Loogan äußerst mysteriös erscheinen zu lassen. So weiß man nichts über dessen bisheriges Leben und auch die Nachfragen von Kristoll sind so gelegt, dass man nicht sicher sein kann, ob Loogan ihm nun die Wahrheit sagt. Das einzige, was man aus seinen Schilderungen schließen kann ist, dass Loogan gut schreiben kann, anscheinend über genug Geld verfügt, um eigentlich nicht arbeiten zu müssen, alleine lebt und David Loogan ganz offensichtlich nicht sein richtiger Name ist.

Dies alles macht ihn für den Leser logischerweise sehr interessant und man wird neugierig darauf, wie sich die Geschichte und der Protagonist weiter entwickeln werden.



{Rezension} Hänschen Klein von Andreas Winkelmann


Taschenbuchausgabe: 416 Seiten
ISBN: 978-3442471256
Genre: Deutscher Thriller
Erscheinungsdatum: 11. Januar 2010
Preis: 8,95 €


Hänschen klein, ging allein …

… in die weite Welt hinein.

Sebastian Schneider, ein junger Anwalt, der zusammen mit seinen Eltern auf dem einsam gelegenen Schneider-Hof lebt und dort Haflinger züchtet, erhält eines Tages einen merkwürdigen Brief. Auf violetten Papier ist das alte Kinderlied „Hänschen klein“ geschrieben samt dem Hinweis, dass er und die Briefschreiberin bald wieder vereint wären. Sebastian tut diesen Brief als fehlgeleiteten Liebesbrief ab und schenkt ihm weiter keine Beachtung mehr. Ganz im Gegensatz zu seinen Eltern. Doch schon bald muss Sebastian feststellen, dass die Absenderin des Briefes es auf die Menschen in seinem Leben abgesehen hat, die ihm besonders wichtig sind und es sollte auch nicht der letzte Brief gewesen sein.

Andreas Winkelmann lässt im vorliegenden Thriller auch die Mörderin zu Wort kommen und schnell stellt man Zusammenhänge zwischen dem Prolog und der eigentlichen Geschichte her, die sich zentral um Sebastian Schneider dreht. Sebastian ist ein junger Anwalt, der mit seinem ersten Mordfall konfrontiert wird, bei Gewitter Angst hat und bei Stress und vor allem nachts Asthmaanfälle bekommt. Ansonsten mit Freude seinen Eltern auf dem Hof hilft und durch einen rasanten Zusammenstoß frisch verliebt ist. Alles in allem ein sehr sympathischer, aufgeschlossener junger Mann, der während des Lesens schnell Konturen annimmt.

Der Erzählstrang rund um die Mörderin ist äußerst düster, ja fast schon beklemmend gehalten und ihre Gefühllosigkeit erschreckend plastisch dargestellt. Für die Mörderin sind Menschen entweder nur Mittel zum Zweck und werden, wenn sie nicht funktionieren, einfach beseitigt oder aber sie stehen ihrem Ziel im Weg und müssen deswegen sterben. Und hier wird sie regelrecht zur Rachefurie, wobei diese Szenen recht ausführlich dargestellt werden und nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete sind.

So bewegen sich die beiden Erzählstränge um Sebastian wie auch der Mörderin langsam immer mehr aufeinander zu, viele Unklarheiten werden geklärt und schon sehr bald erkennt man die Beweggründe ihres Mordens. Doch dieses Wissen nimmt dem Thriller bei weitem nicht die Spannung, denn nun beginnt ein fesselndes Katz-und-Maus-Spiel, das den Spannungsbogen durchweg auf einem sehr hohen Niveau hält.

Die Lösung des Falls ist durchaus schlüssig umgesetzt, wobei der Autor die Geschichte nach dem Showdown auch noch weitererzählt und hier ganz zum Schluss den Leser mit einem äußerst unguten Gefühl zurücklässt. Allerdings nimmt die Story zwischenzeitlich auch etwas hexenartige Züge an, die an Voodooismus erinnern und hierdurch das Ende etwas an seiner Nachvollziehbarkeit einbüßt.

Dem Autor gelingt es auch dieses Mal wieder, seinen Charakteren sehr schnell Konturen zu geben. Besonders gut ist ihm hierbei meiner Meinung nach die Figur der Mörderin gelungen. Durch die Beschreibung ihrer Denkweise und Gefühle erhält man einen Einblick in ihre krankhafte Psyche, die meist so gefühlskalt dargestellt wird, dass es einem nur kalt den Rücken herunter läuft. Auf der anderen Seite ist die Liebe, welche sie antreibt zwar auch schon als wahnhaft zu bezeichnen, doch zeigt der Autor auch auf, zu was Menschen aus krankhafter Liebe bereit sind zu unternehmen, um diese Liebe ihrer Meinung nach zu schützen.

Alles in allem ist Andreas Winkelmann ein sehr spannender, fesselnder Thriller gelungen, der seinem Namen alle Ehre macht, aber bei weitem nichts für schwache Nerven ist.

Freitag, 17. September 2010

{Leseeindruck} Die Buchdruckerin von Sabine Weiß

Gebundene Ausgabe: 512 Seiten
ISBN: 9783547711608
Genre: Historischer Roman
Erscheinungsdatum: 29. September 2010
Preis: 19,95 €


Ein Leben für die Bücher

Straßburg im November 1520: Die junge lebensfrohe Margarethe hat das erste Mal die alleinige Verantwortung für die Verkaufsbude. Ihr Vater ist Buchdrucker und so verkauft Margarethe vor dem Münster die gedruckten Werke der Familiendruckerei. Doch an diesem Tag meint es das Wetter nicht gut mit ihr, denn ein Feuerfunken weht herüber und während Margarethe gerade versucht, ein paar verwehte Buchseiten einzufangen, fängt ihre Verkaufsbude Feuer.

Da es für Margarethe fast nichts Wichtigeres in ihrem Leben als Bücher gibt, überlegt sich nicht lange und stürzt sich blindlings in das Feuer, um wenigsten die wertvollsten Bücher zu retten. Dies gelingt ihr auch, zieht aber auch den Zorn ihres Vaters auf sich. Der angesehene Drucker kann nicht verstehen kann, wie man für ein paar Bücher sein Leben riskieren kann.

Nachdem Margarethe sich zu Hause schnell etwas zurecht gemacht hat, kehrt sie zum Münster zurück, um dort den Gottesdienst zu besuchen. Anschließend trifft sie auf ihre lebenslustige, aber auch extrem gottesfürchtige Freundin Ursula, mit der sie sich ausgiebig über das anstehende Martinsfest unterhält.

Mit diesen kleinen Ereignissen erfährt man bereits recht früh etwas über den Charakter von Margarethe und stellt fest, dass die hübsche junge Frau ihren eigenen Kopf hat. Zwar kann sie sich schlecht der Meinung ihres Vaters oder ihrer Tante widersetzen, doch man merkt ihren Widerwillen. Und so ist sie durchaus auch mal ein wenig vorlaut und riskiert dann auch, dafür gemaßregelt zu werden.

Durch die Gespräche mit Ursula und auch durch das nach dem Gottesdienst stattfindenden Abendessens erfährt man schon ein wenig über die Familie von Margarethe und erhält auch sehr gut einen Einblick in das Leben der damaligen Zeit. Auch die große Rolle, welche die Kirche im Leben der Menschen gespielt hat wie auch deren bedingungsloser Glaube bzw. Aberglaube vermittelt die Autorin bereits auf wenigen Seiten sehr gut.

So ist ihr Sprachstil flüssig und gelegentlich gespickt mit älteren Begrifflichkeiten, sodass nicht nur ihre Beschreibungen des mittelalterlichen Straßburgs dafür sorgen, dass man sich problemlos ein Bild über die damalige Zeit bilden kann.

Inwieweit sich nun die Geschichte noch entwickeln wird, kann man aus der kurzen Leseprobe nicht herauslesen. Allerdings deutet die Inhaltsangabe an, dass Margarethes Vater stirbt, sie nunmehr die Druckerei übernimmt, was ihr Schwierigkeiten bei der Zunft beschert. Somit ist davon auszugehen, dass sich der Roman recht spannend und unterhaltsam entwickeln wird und auch scheint die Liebe hierbei nicht zu kurz zu kommen.

{Rezension} Ein Paradies für alle von Justus Pfaue

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN: 9783547711684 
Genre: Historischer Roman
Erscheinungsdatum: 08. September 2010
Preis: 19,95 €


 
Das größte Kaufhaus der Welt

Berlin, Anfang der 1930er Jahre. Hanna Berger und der Kaufhauskönig und Vorstandsvorsitzende der Wertheim AG, Georg Wertheim, sind seit 25 Jahren ein Paar. Georg betreibt zusammen mit seinen Brüdern das Kaufhaus Wertheim, das als das Größte der Welt gilt. Doch die Zeiten für das Wertheim-Imperium wie auch für die Familie gestalten sich schwierig, denn die Wertheims sind Juden und Adolf Hitler steht kurz vor der Machtergreifung.

Die Geschichte der Familie Wertheim, insbesondere das Leben von Georg und seiner Hanna, stehen im Vordergrund des Romans. Nachdem man einen kurzen Einblick über ihr luxuriöses Leben Anfang der 1930er Jahre erhält, geht Justus Pfaue zurück zu den Anfängen der Familie und somit auch zu dem sagenhaften Aufstieg der neunköpfigen jüdischen Familie, die ihr Imperium dank Georg und Hugo binnen weniger Jahre aufbauen konnte.

In jungen Jahren werden die beiden Brüder, die ein sehr inniges Verhältnis verbindet, zu ihrem Onkel nach Berlin geschickt, um dort das Tuchgeschäft von der Pike auf zu lernen. Schnell entwickelt der junge Georg einen genialen Geschäftsinn und zusammen mit seinem älteren Bruder Hugo, dem kreativen Kopf, baut er das Geschäft Wolf & Apolant seines Onkels gewinnbringend aus. Georg ist der erste Kaufmann, der Festpreise und den Warenversand einführt. Hierbei stößt er anfangs auf viel Gegenwind, nicht nur bei seinem Onkel. Als es Hugo durch eine Lungenkrankheit immer schlechter geht, beschließen die Brüder, zurück nach Stralsund zu kehren. Als Dank erhalten sie von Onkel Wolf die nötige Starthilfe, um zu Hause das Familiengeschäft auszubauen. Mit Hilfe seiner tatkräftigen Familie gelingt ihnen dies auch recht schnell und es dauert nicht lange, bis auch eine Filiale in Rostock eröffnet wird. Doch Georgs Pläne gehen noch weiter: Er will ein großes Kaufhaus in Berlin eröffnen, in dem der Kunde König ist und man auch für kleines Geld gute Qualität kaufen kann. Und bald darauf erfüllt sich dieser Traum.

Das einzige, was nach Meinung seiner Mutter Ida ihm jetzt noch fehlt, ist eine Ehefrau. Doch in dieser Hinsicht ist Georg eher schüchtern und auch körperliche Kontakte jedweder Art vermeidet er, wo es nur geht. So lebt er lange Jahre zufrieden allein und das Einzige, was in seinem Leben zählt, ist das Geschäft. Hier blüht der geniale Stratege und Zahlenjongleur schier auf. Bis ihm Hanna Berger über den Weg läuft. Für den 49-jährigen fängt augenblicklich ein neues Leben an, denn die junge Hanna erwidert seine Gefühle und zudem ist sie auch noch ausnehmend hübsch, klug und hat einen hervorragenden Geschäftssinn. So sind die Beiden bald ein unschlagbares Team, doch ein dunkles Geheimnis um Hannas Vergangenheit hindert sie daran, zu heiraten. So bleibt Georg nichts anderes übrig, als eine verhasste Ehe mit der stämmigen Ursula Gilka einzugehen, um einen Erben für das Familienunternehmen zu sichern.

Die stets freundliche Hanna führt mit ihrem Georg ein sehr zurückgezogenes Leben und kann als „Guter Geist“ des Kaufhauses bezeichnet werden. Denn ihr gelingt es immer, Probleme mit der Belegschaft für alle Beteiligten so gut wie möglich zu lösen und auch hat sie für jeden der „Wertheimer“ immer ein freundliches Wort übrig. Georgs Frau Ursula zieht es derweil vor, zumeist auf Schloss Saßleben im brandenburgischen Land ein feudales Leben zu führen, sodass Georg mit seiner geliebten Hanna skandalfrei in ihrer gemeinsamen Berliner Wohnung leben kann. 

Das Leben des Überflusses und Glücks ist für Hanna und Georg  jedoch nur eine Frage der Zeit, denn die Machtergreifung von Adolf Hitler steht kurz bevor. Bereits Ende der 1920er Jahre bekommen die Wertheims zu spüren, was es heißt, eine überaus erfolgreiche jüdische Familie zu sein, denn die braunen SA-Schergen ziehen schon randalierend durch Berlin. Anfangs kann Georg hier noch seinen Einfluss in den oberen Kreisen der Berliner Gesellschaft spielen lassen, doch nach und nach ziehen sich immer mehr Freunde und Geschäftspartner von ihm und seiner Familie zurück.

Justus Pfaue gelingt es sehr gut die Geschichte der Familie Wertheim zu erzählen und hier biografische wie auch fiktive Elemente logisch zu verknüpfen. Sehr anschaulich, warmherzig und äußerst unterhaltsam schildert er das Leben der Familie, wobei der Fokus natürlich bei Georg Wertheim – dem Macher und Gründer der Wertheim AG – liegt.
Der Autor hält sich sehr an die geschichtlichen Vorgaben der Familie Wertheim und lässt auch einige bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der damaligen Zeit in die Geschichte mit einfließen. Allerdings ist davon auszugehen, dass Hanna Winter hier leider mehr dem fiktiven Teil der Geschichte zuzuordnen ist.

Der Sprachstil des Autors ist eher gediegen, ja fast schon altmodisch, doch passt dies perfekt zur Geschichte und vermittelt einen so gut ein Gefühl für die damalige Zeit. Und man entdeckt mit Freude immer mal wieder eine Begrifflichkeit, welche man von den Großeltern her noch kennt und in unserer heutigen Zeit fast schon vergessen ist. 

Die Wandlung, welche Georg in Gegenwart von Hanna durchlebt, wirkt anfangs überraschend. Gilt er doch bei Freunden, bei der Belegschaft, selbst bei seiner Familie eher als gefühlskalt und unnahbar, so taut er in der Gegenwart von Hanna regelrecht auf und entwickelt eine sehr liebevolle Ader. Und so wirkt auch sein Charakter für den Leser lange Zeit eher schwer zugänglich, ja fast schon blass. Als jedoch die Beziehung von Hanna und Georg beginnt, erhält man nach und nach auch einen Zugang zur Figur Georgs und man stellt dann doch recht schnell fest, dass er zu tiefen Gefühlen durchaus fähig ist und so nimmt sein Charakter auch für den Leser mit der Zeit Konturen an.

Fazit: Alles in allem hält man hier einen interessanten und unterhaltsamen Roman in Händen, der wunderbar die Geschichte des Wertheim-Imperiums erzählt.

Donnerstag, 16. September 2010

{Rezension} Sieh mir beim Sterben zu von P.J. Tracy

Übersetzer: Tanja Handels
Genre: Amerikanische Thriller
ISBN: 978-3-8052-0859-8 
Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Erscheinungsdatum: 17. September 2010
Preis: 19,95 €



Morde ins Internet gestellt

Am Lake Superior in Minnesota wird scheinbar geplant ein Mann am zugefrorenen See in den Tod geschickt, für die dortige Polizei sieht es wie ein Unfall aus. Ein halbes Jahr später wird am Ufer des  Mississippi die Drag-Queen Alan nachts von einem Unbekannten ertränkt, beobachtet wird dies von Wild Jim, der sich oft sturzbetrunken am Ufergelände aufhält. Durch Zufall entdeckt das FBI im Internet diese Morde. Da die Urheber dieser Snuff-Filme nicht zurückzuverfolgen sind, geht das FBI einen ziemlich unkonventionellen Weg und wendet sich an das Hacker-Team Monkeewrenche. Mit ihrer Hilfe erhofft sich Special-Agent Jon Smith Hinweise auf den Mörder zu erhalten. Schnell werden auch die beiden Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth vom MPD mit in die Fälle involviert, die ursprünglich beim Mord an der Drag-Queen von einem Selbstmord ausgegangen waren. Die Arbeit der Hacker ist schon bald erfolgreich, doch was sie im Netz entdecken, lässt sie das Schlimmste befürchten, denn Monkeewrenche haben eine Liste der Morde gefunden, bei denen einige noch nicht geschehen sind. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Das Autorenteam greift in ihrem neuesten Buch das Thema „Snuff-Filme“ auf und baut hierum einen äußerst fesselnden Thriller auf. Ohne zu sehr in die Details zu gehen beschreiben sie die Arbeit des Hacker-Teams und zeigen auf, wie im Internet mutmaßliche Mörder unentdeckt operieren können. Selbst das FBI ist hier mit seinen Experten machtlos, sodass sie einen für sie ganz untypischen Weg einschlagen und zugeben müssen, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Natürlich gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem FBI-Agenten, der den sinnigen Namen Jon Smith trägt, und der Hacker-Crew Monkeewrenche anfangs etwas schwierig, da erst einmal das gegenseitige Misstrauen überwunden werden muss. Doch schon bald stellen Monkeewrenche wie auch Jon Smith fest, dass hier eine sehr konspirative Arbeit möglich ist und sich sogar so etwas wie Freundschaften entwickeln können.
In diese Zusammenarbeit schalten sich auch die beiden Detectives Gino Roshelt und Leo Magozzi ein, die das Monkeewrenche-Team bereits längere Zeit kennen und gerade Leo zu einer der Frauen des Teams eine mehr als komplizierte Beziehung pflegt. Mit ihrer bodenständigen Ermittlungsarbeit überzeugen sie auch bald den FBI-Agenten und so entwickelt sich zwischen den drei Parteien eine hervorragende Zusammenarbeit mit dem einzigen Ziel, den Mörder zu stellen.
Schon allein im Prolog gelingt es P.J. Tracy eine hohe Spannung aufzubauen, die zwar während der klassischen Ermittlungsarbeit der Detectives zwischenzeitlich etwas abflacht, nur um dann wieder kräftig anzuziehen und sich bis zum Schluss auf sehr hohem Niveau zu halten. Die Kabbeleien von Magozzi und Gino sorgen immer mal wieder für etwas Entspannung und ihre herzliche, sehr menschliche Art überzeugt durchweg. So gestatten die Autorinnen den Beiden auch Gefühle zu zeigen und müssen keine abgebrühten Cops spielen, denen eine Leiche nichts mehr ausmacht. So wirken Gino und Magozzi äußerst sympathisch und durchaus authentisch. Auch die anderen Charaktere wie Jon Smith, Wild Jim, Grace, Annie wie auch Harley und Roadrunner sind gut herausgearbeitet und glaubwürdig in ihren Handlungen, wobei die eine oder andere Figur den Leser zu überraschen versteht.
Zu Mörder und Motiv der Morde lässt P.J. Tracy ihre Leser lange im Dunklen tappen und die Auflösung ist äußerst überraschend und so wirklich nicht vorhersehbar. Ganz im Gegenteil, ihnen gelingt es sogar zwischendurch immer mal wieder neue Fährten auszulegen, bei denen man nie sicher sein kann, ob diese die Lösung des Falls sind.

Alles in allem ein spannender, komplex angelegter Thriller mit sympathischen Protagonisten, der ein Thema aufgreift, dass zwar schon oft erzählt wurde, hier aber sehr gut umgesetzt wurde.