Gebundene Ausgabe: 317 Seiten
Genre: Zeitgenössischer Roman
ISBN: 978-3-608-50212-1
Erscheinungsdatum: 15. März 2012
Preis: 19,95 €
Der Boxer
Der abgehalfterte Boxer Kelly Courter lebt in der mexikanischen Stadt Ciudad
Juárez, direkt an der Grenze zu Texas. Dort fristet er ein trostloses Leben und
hält sich mit drittklassigen Boxkämpfen und Drogendeals mehr oder weniger über
Wasser. Seine einzige Stütze ist seine Freundin Paloma, mit deren Bruder er die
verschiedensten Drogendeals durchzieht. Paloma arbeitet in einer gemeinnützigen
Organisation, die sich mit den toten Frauen von Juárez beschäftigt. Denn in
Juárez verschwinden regelmäßig Mädchen und Frauen spurlos, nur selten werden
ihre Leichen gefunden. Die Einwohner reden von mindestens 4.000. Als Kelly mal
wieder im Drogenrausch liegt, verschwindet Paloma spurlos, kurze Zeit später
wird ihre Leiche gefunden. Die Polizei sieht in Kelly und Palomas Bruder Estéban
die Täter. Die beiden geraten in die Mühlen des korrupten, gewaltbereiten
Polizeiapparats, nur der Bundespolizeibeamte Rafael Sevilla vom Drogendezernat nimmt
sich des Falls ernsthaft an und ermittelt auf eigene Faust.
Schonungslos offen, direkt und düster präsentiert Sam Hawken seinen Lesern
den Roman, der auf einen wahren Hintergrund basiert. Sein Augenmerk liegt im 1.
Teil des Buches bei Kelly Courter. Desorientiert, hoffnungslos, ohne jegliche
Perspektive vegetiert Kelly mehr oder weniger in Juárez vor sich hin.
Zwischendurch entwickelt er etwas Ehrgeiz und trainiert für einen nächsten
Boxkampf, aber zumeist lebt er einfach nur in den Tag hinein, am besten
vollgepumpt mit Drogen. So bekommt er auch nicht mit, dass seine Freundin
Paloma schon einen Monat spurlos verschwunden ist.
Sam Hawken zeigt überdeutlich auf, mit welcher Willkür und Brutalität die
mexikanische Polizei vorgeht und vor den grausamsten Folterungen nicht
zurückschreckt, um ein Geständnis zu erzwingen. In diesem Teil geht der Autor
aber auch sehr ausführlich auf das Leben in Juárez ein, dass einfach nur als
hoffnungs- und trostlos zu bezeichnen ist, voller Angst geprägt und von den Drogenkartellen
dominiert wird. Dies alles ist eindringlich beschrieben und geht einem auch
wirklich unter die Haut, nur stellenweise ist es einfach auch zu langatmig. So
weiß ich jetzt ziemlich genau, welche verschiedenen Speisen von den Mexikanern
am liebsten gegessen werden, was mir bei den ständigen Erwähnungen dieser
einfach irgendwann zu viel wurde. Auch wird sehr wenig während eines Großteils
des Buches auf die verschwunden Frauen eingegangen.
Klar, sie sind der rote Faden, finden immer mal wieder Erwähnung, aber
irgendwie wird alles nicht richtig greifbar. Und auch Paloma ist hier kein
wirklich typisches Beispiel für die getöteten Frauen, da ihre Ermordung eher
anderen Motiven zugrunde liegt. Ein zusätzlicher Erzählstrang, der - in welcher Form auch immer – das Schicksal
dieser Frauen beleuchtet hätte, hätte nach meinem Empfinden für etwas mehr
Klarheit und Verständnis gesorgt. Zudem gibt es in der Geschichte einige
Perspektiv- und teilweise auch Zeitwechsel, die anfangs verwirren und den
Lesefluss stören. Diese spiegeln allerdings auf der anderen Seite gut das Leben
von Kelly wieder, auch wenn es zum Lesen teilweise gewöhnungsbedürftig war.
Was Sam Hawken jedoch sehr gut gelingt, ist eine atmosphärische Dichte zu
erzeugen. So fühlt man regelrecht die heiße Sonne Mexicos, die Verzweiflung der
Mütter, wenn sie wieder einen Zettel einer vermissten Tochter an den
rosafarbenen Laternenmast anbringen müssen, kann ihre Weigerung nachvollziehen,
immer von verschwundenen und nie von toten Frauen zu sprechen. Und auch die
schwüle, energiegeladene, brutale Atmosphäre bei den Boxkämpfen ist gut
nachvollziehbar. Allerdings hat mir etwas der Zugang zu den einzelnen
Charakteren gefehlt und trotz ausführlicher Beschreibung ihres Aussehens und
Charakters wurden manche für mich nicht recht greifbar.
Im zweiten Handlungsstrang verfolgt man die zumeist illegalen Ermittlungen
von Rafael Sevilla, der im Drogendezernat arbeitet und schon länger mit Kelly
bekannt ist. Sevilla hat ganz private Ambitionen, um hinter das Verschwinden
der Frauen von Juárez zu kommen und geht für die Aufklärung sehr
unkonventionelle Wege. Erst fast zum Schluss hin geht Sam Hawken wieder auf das
Schicksal und dem dunklen Geheimnis der toten Frauen von Juárez ein. Das
Hauptaugenmerk der beiden Erzählstränge liegt aber eindeutig bei dem von Gewalt
geprägten Leben der Einwohner, dem brutalen Vorgehen der Drogenkartelle wie
auch dem willkürlichen Machtgebaren der Polizei.
Irgendwie ist Hoffnungslosigkeit der Tenor des gesamten Romans und die sehr
direkte, schonungslose Art wie Sam Hawken dies in seinem Roman vermittelt, lässt
einen schon etwas hilflos zurück. Dies ist definitiv kein Buch, dass man nach Beendigung
einfach zur Seite legt, sondern das Schicksal der toten Frauen von Juárez
beschäftigt einen noch eine Zeitlang. Und genau dies ist auch das Ziel des
Autors, der mit seinem Roman auf das Schicksal dieser Frauen aufmerksam machen
möchte.
Fazit: Definitiv kein einfach zu lesendes Buch, dessen Geschichte auf einem
wahren Hintergrund beruht, welches der Autor schonungslos und brutal offen
beschreibt, sich jedoch oftmals auch in Details verliert.
Der Autor:
Sam Hawken, 1970 in Texas geboren, lebt mit seiner Frau und seinem
Sohn in der Nähe von Washington D.C. Er studierte an der Universität von
Maryland und steuerte eine Karriere als Historiker an, bevor er sich
dem Schreiben widmete. »Die toten Frauen von Juárez« ist sein erster
Roman.Erhältlich bei: Bilandia.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen