Übersetzer: Hanne Hammer
Taschenbuchausgabe: 448 Seiten
Genre: Roman / Dänemark
ISBN: 978-3-442-74475-6
Erscheinungsdatum: 11. März 2013
Preis: 9,99 €
Das Geheimnis um Nellas Familie
Stell Dir vor, Du sitzt gemütlich vor dem Kaminfeuer in
einem alten herrschaftlichen Anwesen, irgendwo im dänischen Südseeland. Es ist ein
kalter Novembertag, der Wind pfeift klagend um das einst so eindrucksvolle Haus
und es ächzt und knarrt unentwegt. Dir gegenüber sitzen zwei Frauen und
erzählen Dir ihre Lebensgeschichte, welche voller schrecklicher Erlebnisse und
Erinnerungen ist, in denen Geister vorkommen, alte Familiengeheimnisse gelüftet
werden und es eine rätselhafte Geschichte um ein geheimnisvolles Turmzimmer
gibt.
Genau diese düstere, beklemmende und stellenweise auch
gruselige Stimmung verursacht der Roman „Das Turmzimmer“, den man als Buch in
Buch beschreiben kann. Die Geschichte spielt in Dänemark und umfasst einen
Zeitraum von Ende des 19. Jahrhunderts bis kurz nach dem 2. Weltkrieg.
Nella von Liljenholm hatte ihre gesamte Kindheit auf
Liljenholm in Südseeland verbracht mit einer Mutter, die sie kaum beachtete,
kaltherzig war, nur demütigende Kommentare für sie übrig hatte und selbst vor Gewalttätigkeiten
nicht zurückgeschreckte. Als erfolgreiche Autorin hatte Antonia von Liljenholm
nur das Schreiben ihres nächsten Buches im Sinn. Nellas Kindheit bestand nur
aus Angst, Einsamkeit und den mal flüsternden, mal tobenden geisterhaften
Stimmen aus dem Turmzimmer. Nellas einzige Bezugsperson war die alte
Haushälterin Laurits, die das schreckliche Familiengeheimnis kannte und vor Nella
zu verbergen versuchte.
Nun kehrt Nella als junge Frau Anfang der 1940er Jahre
zusammen mit ihrer Freundin Agnes nach Liljenholm zurück und entdeckt
hierbei durch Zufall die Tagebücher der verstorbenen Haushälterin Laurits, die
fast ihr ganzes Leben auf dem Anwesen verbrachte. Diese beinhalten
pikante und schreckliche Geheimnisse der Bewohner von Liljenholm. Doch auch
Agnes selbst hat einiges vor Nella zu verbergen, was diese erst im Verlauf des
Aufenthalts auf dem Anwesen erfahren soll.
Leonora Christina Skov hat für ihren Roman einen
ungewohnten, deswegen aber nicht minder bildhaften, fesselnden Schreibstil
gewählt. Die Autorin lässt zumeist Agnes die Geschichte um das Turmzimmer
selbst erzählen, wobei Agnes hierbei einem immer wieder persönlich anspricht.
Zum einem berichtet sie über die Geschichte zur Entstehung des Buches „Das Turmzimmer“
und zum anderen erzählt sie den Roman „Das Turmzimmer“ selbst. Hört sich ein
wenig kompliziert an, ist es aber überhaupt nicht und man findet sich in der
Geschichte sehr schnell zurecht.
Problemlos gelingt es der Autorin, einem die Atmosphäre von
Liljenholm näher zu bringen. Dieses düstere, abweisende Gemäuer, das zu leben
scheint, seine Gespenster hütet und so viele schreckliche Geheimnisse vor der
Außenwelt verbirgt. Es ist kaum vorstellbar, wie ein kleines Mädchen ganz ohne
Spielgefährten in dieser Gefühlskälte aufwachsen konnte. Doch Nella entwickelt
sich zu einer selbstbewussten jungen Frau, der eine angeborene Autorität
anhaftet und nachdem sie sich endlich damit abgefunden hat, das
Familiengeheimnis zu lüften, auch diesen Weg konsequent verfolgt.
In Agnes täuscht man sich anfangs ein wenig. Als Freundin
von Nella wirkt sie zuerst wie eine leicht verschrobene ältere Jungfer, doch
dem ist bei weitem nicht so und Agnes legt bereits früh erste Hinweise aus, die
einem schnell seine Meinung über sie revidieren lassen. Neben den beiden
Hauptakteurinnen sind auch alle weiteren Charaktere facettenreich und
detailliert gezeichnet und nehmen fast augenblicklich Konturen an.
Stellenweise entwickelt sich die Geschichte etwas
verwirrend, da Agnes – die zumeist die Erzählerin des Buches ist – gern einmal
ein wenig bei einigen Ereignissen vorgreift, hierbei oft aber nur Andeutungen
macht und erst später wieder darauf zurückkommt. Wirkt manchmal etwas
unstrukturiert, unterstützt aber den Eindruck, dass Agnes einem gegenüber sitzt
und einem die Geschichte erzählt. Diese sind aber immer sehr geschickt gelegt
und steigern eigentlich nur noch zusätzlich die Spannung und die Neugier bei
diesem durchweg sehr fesselnden Roman, den Leonora Christina Skov warmherzig
und einnehmend vermittelt.
Nur ab und an waren mir die Erzählungen der Ereignisse von
Agnes dann doch etwas zu ausschweifend und haben anstatt meine Neugier zu
steigern, mich eher etwas gelangweilt. Aber dies ist wirklich nur ein kleines
Manko dieser hervorragend erzählten Geschichte, die je länger sie dauert, immer
mehr Fragen aufwirft und Rätsel aufgibt und bis zur letzten Seite mit neuen,
absolut nicht voraussehbaren Wendungen zu überraschen versteht und eine Lösung
der Familiengeheimnisse präsentiert, welche absolut schlüssig präsentiert wird.
Fazit: Ein wunderbar geschriebener, atmosphärisch dicht
umgesetzter Roman, der bis auf einige kleine Längen durchweg fesselnd und
spannend ein schreckliches Familiengeheimnis erzählt.
Die Autorin (Quelle: Verlagsseite):
Leonora Christina Skov, geboren 1976, ist in ihrer Heimat Dänemark
für ihre sarkastische Literaturkritik und ihre bissige Kolumne in der
Wochenzeitung Weekendavise bekannt. Für ihre Romane wurde sie von der dänischen Kritik gefeiert.
Wirklich interessant wie unterschiedlich uns das Buch gefallen hat ;) Danke, dass du mich auf deine Rezension aufmerksam gemacht hast!
AntwortenLöschenLG,
Wonder_