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Sonntag, 3. November 2013

{Rezension} Die rote Lene von Renate Habets


Cover & Verlag: Alcorde
Gebundene Ausgabe: 234 Seiten
Genre: Historischer Roman
ISBN: 978-3939973140
Erscheinungsdatum: 07. September 2013
Preis: 19,80 €

 


 

Die ruure Lene

 

Magdalenes Geburt am 25. Februar 1889 steht unter keinem guten Stern. In einem kleinen Dorf nahe Wissen im Westerwald als sechstes Kind einer Bauernfamilie geboren, kommt sie ausgerechnet am Matthias-Tag auf die Welt. Diesen Kindern werden unheimliche Fähigkeiten nachgesagt und sind als Hexen verschrien. Hinzu kommt, dass Lene auch noch rote Haare hat, als einziges Kind der Familie. Von Anfang an wächst Lene in einer Außenseiterrolle auf und gerade einer ihrer Brüder ist fest davon überzeugt, dass Lene eine Hexe ist. Aber auch die Kinder im Dorf gehen auf Distanz zu ihr, verspotten Lene ständig. Einzig der zugezogene und gleichaltrige Klaas hält zu ihr und wird bald ihr bester und einziger Freund. Als junge Frau lernt Lene durch Zufall den Fabrikantensohn Rudolf kennen, der im Westerwald seinen Onkel besucht. Die Beiden verlieben sich ineinander und Rudi nimmt Lene als seine Ehefrau mit nach Köln. Doch auch in Köln mit all dem Luxus, den ihr Rudi bietet, findet Lene nicht ihr Glück. Ihr Leben in der Stadt steuert auf eine Katastrophe zu.




 

Lene ist ein Kind der Natur, sie liebt die Tiere auf dem Hof, spricht auch oft mit ihnen und wenn sie traurig ist, flüchtet sich zu ihrem Apfelbaum. Durch ihre Außenseiterstellung im Dorf ist Lene entsprechend wortkarg, auch gegenüber ihrer Familie. Sie gilt als seltsam. Nur Klaas findet Zugang zu ihr und ab und an auch die gleichaltrige Louise, mit der Lene zusammen zur Schule geht. Doch als Lene ihren Rudi trifft, scheint das Glück endlich auf ihrer Seite zu sein. Die erste Zeit mit Rudi ist eine Unbeschwerte. Doch dieses Glück hält nicht lange an. In Köln muss Lene nun ein ganz anderes, ihr absolut fremdes Leben führen. Fortan ist die junge Frau von Luxus umgeben und muss entsprechende gesellschaftliche Umgangsformen erlernen. Somit ändert sich ihr bisher gewohntes Leben von Grund auf, selbst ihr Name wird ihr nicht gelassen, da er nach Meinung ihrer Schwiegermutter zu bauernhaft sei. Ab sofort wird Lene von ihr nur noch Magda genannt, was schnell auch von ihrem Ehemann übernommen wird. Je länger Lene in Köln lebt, umso mehr verliert sie ihre eigene Identität, zumal ihr größter Wunsch nicht in Erfüllung zu gehen scheint. Aus dem fröhlichen Bauernmädchen Lene wird die mondäne, wunderschöne Magda. Mit der Zeit wird Lene immer verschlossener, zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück und bald ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Doch keiner erkennt dies oder will es wahrhaben, schließlich muss die Etikette, der gute Ruf gewahrt werden.

 

Renate Habets schildert das Leben von Lene aus unterschiedlichen Perspektiven, was diesen Roman sehr abwechslungsreich gestaltet. Anfangs zumeist von Lene selbst erzählt, rückt diese mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund und ihre Geschichte verfolgt man bald schon mehr aus der Sicht von Klaas, wie auch von Louise, welche zwischenzeitlich auch nach Köln gezogen ist und dort ihr Glück finden soll. Aber auch Lenes Ehemann Rudi kommt zu Wort und schildert seine Sicht zum Zusammenleben mit Lene. Auch Peter darf nicht fehlen. Der Bruder, welcher Lene abgrundtief hasst und felsenfest davon überzeugt ist, dass seine jüngste Schwester eine Hexe ist und Lene für jeden noch so kleinen Unbill verantwortlich macht. Sein Aberglaube zerfrisst ihn regelrecht und nachdem Lene heimlich mit Rudi nach Köln geflüchtet ist, darf ihr Namen auf dem Hof nicht mehr genannt werden. Erst zum Ende der Geschichte tritt Lene selbst wieder mehr in den Vordergrund. Dieser Erzählstil ist bezeichnend, denn je mehr sich Lene in sich selbst zurückzieht, umso weniger tritt sie in der Geschichte ihres Lebens selbst in den Fokus.

 

Einfühlsam, tiefsinnig, bedrückend und versehen mit viel Lokalkolorit aus dem Westerwald erzählt Renate Habets ihren wunderschönen Roman über die ruure Lene, deren Schicksal ihre roten Haare werden. Zudem erhält man problemlos eine Vorstellung über das Dorfleben im 19. Jahrhundert wie auch das luxuriöse, gesellschaftliche Leben in Köln, bei dem sich Lene immer geziemt zu verhalten hat. Und Renate Habets lässt ihre Charaktere auch immer mal wieder im Dialekt sprechen, diese Szenen sind jedoch jederzeit nachvollziehbar, auch wenn man kein Kölsch oder den Westerwälder Dialekt versteht.

 

Fazit: Ein emotionaler, feinfühlig erzählter Roman über eine Frau, deren roten Haare ihr zum Schicksal werden sollen.

 


 

Die Autorin:
Renate Habets ist 1945 im Westerwald geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Köln, machte dort Abitur und studierte Deutsch und Geschichte. Danach unterrichtete sie viele Jahre lang am Gymnasium, bis sie schließlich ihre Liebe zur Malerei und Schriftstellerei entdeckte. Was ihre Bilder mit ihren Büchern gemeinsam haben, ist ihre Kraft und ihr bisweilen "pointillierender" Hintersinn, aber auch ihre Nachdenklichkeit Eigenschaften, die gerade auch ihre Erzählungen und Romane zu einem immer wieder faszinierenden, bilderreichen und den Leser berührenden Erlebnis machen. Vier Bücher hat die Schriftstellerin Renate Habets inzwischen veröffentlicht, darunter »Thea« (ALCORDE VERLAG, 2010), in dem sie eine alte Dame an ihrem achtundachtzigsten Geburtstag begleitet, während diese sich noch einmal der Geschichte ihrer Familie erinnert; und in »Kiesel zum Gedenken« (ALCORDE VERLAG, 2012) porträtiert sie das jüdische Leben zu Beginn des 19. Jahrhunderts in elf einfühlsamen und eindrücklichen Familienbildern.

2 Kommentare:

  1. Das Buch liegt auch noch auf meinem SuB und will demnächst gelesen werden. Aber deine Rezi klingt ja wirklich gut und macht Hoffnungen :)

    lg, Steffi

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    1. ja, es ist wirklich ein schönes Buch. Wünsche Dir viel Spaß damit
      LG Isabel

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