Verlag: MV-Verlag
Taschenbuchausgabe: 262 Seiten
Genre: Roman
ISBN: 978-3869911137
Erscheinungsdatum: 23. September 2010
Preis: 16,80 €
Die Suche nach sich selbst
Zwei Wochen Urlaub und kein Geld, um zu verreisen. Für die junge Verkäuferin Julia kein Problem, denn sie ist eh lieber für sich und so ist der Gedanke an Urlaub auf Balkonien für sie auch recht verlockend. Trotzdem stellt Julia sich ein Freizeitprogramm zusammen: Kino, Museen, Freibad. Allerdings ist dies für die introvertierte Frau nicht so ganz einfach, da Julia Menschenansammlungen hasst. Und doch überwindet sie sich und stellt sich den Herausforderungen. Bei diesen Unternehmungen wird sie auf die verschiedensten Menschen aufmerksam, was zu Hause dazu führt, dass Julia zu träumen beginnt. In diesen Tagträumen spinnt sie um jedes dieser Erlebnisse eine Lebensgeschichte zu den Personen. Und hierbei stellt sie fest, dass sie durch ihre Träume auch immer ein wenig mehr über sich selbst erfährt. Doch wohin wird sie diese Selbstfindung führen?
Karsten Eckert erzählt in seinem Roman die unterschiedlichsten Geschichten von Menschen. Das Grundgerüst bildet hierbei natürlich seine Protagonistin Julia. Die junge Verkäuferin, die ihren Beruf mag und dort auch keine Probleme hat mit Menschen umzugehen, ist bei ihrem Privatleben diesen gegenüber eher verschlossen. So hat sie bis dato keinen Freund, eine beste Freundin kennt sie auch nicht und mit ihrer Schulfreundin Katja verbindet sie eine eher lockere Freundschaft, wobei die Initiative hier aber auch meist von Katja ausgeht. Allerdings hat Julia damit auch kein großes Problem, sie weiß sich selbst zu beschäftigen und fühlt sich eigentlich wohl in ihrer Haut. Doch einen Menschen, dem man seine Probleme, Erlebnisse, einfach das Alltagsleben erzählen kann, fehlt ihr irgendwie schon. Doch dazu müsste man diese Person an sich heranlassen und damit hat Julia ein Problem, das Unverbindliche liegt ihr mehr. Wobei Julia sehr ehrlich und nüchtern damit umgeht, sie weiß sehr genau, dass sie sich zu sehr einigelt und offener anderen Menschen gegenüber sein müsste.
Und nun hat Julia 2 Wochen Urlaub und kaum hat der erste Urlaubstag begonnen, erlebt sie eine Situation, die daheim angekommen dazu führt, dass sie sich einem Tagtraum hingibt und diese Träume finden ab da jeden Tag statt. Bald schon zieht es Julia regelrecht aus ihrer Wohnung heraus, um wieder neue Geschichten für ihre Träume zu finden. Und bald schon merkt Julia, dass diese Träume sie verändern, sie offener machen, um bewusster durch das Leben zu gehen und der Welt draußen nicht mehr so ängstlich gegenüberzustehen. Irgendwann stellt Julia fest, dass alle ihre Tagträume zu einem ganz bestimmten Ziel führen.
Dem Autor gelingt es sehr gut, die Gefühlswelt seiner Protagonistin darzustellen. Man versteht zwar jetzt nicht unbedingt alle ihre Handlungsweisen, es gelingt einem aber sehr schnell, sich in Julia hinein zu fühlen. Diese empfindsame und für ihr Alter viel zu nachdenkliche Frau ist einem sofort sympathisch. Und auch die Menschen in Julias Träumen und deren Geschichte nehmen fast augenblicklich Konturen an. Es sind Menschen mit Ecken und Kanten, Fehler und Schwächen, sie wirken authentisch und nachvollziehbar.
Da ist zum Beispiel der rüpelhafte Autofahrer Michael, der zu spät zur Arbeit unterwegs ist. Dies träumt sich Julia zusammen als sie vor dem Kino einen Raser sieht, der gerade noch so an der Ampel bei Gelb drüberfährt. Oder Kurt: Durch schreckliche Schicksalsschläge in der Familie ist er irgendwann davon überzeugt, der wieder geborene Jesu zu sein. Diese Geschichte erträumt sich Julia als sie auf der Straße einen recht merkwürdigen Mann in einem kaftanähnlichen Gewand sieht. Die Arzthelferin Katharina, die morgens irgendwie meist zu spät ist und die Geduld ihres Chefs damit auf eine harte Probe stellt. Oder der ehrgeizige Bankangestellte Paul, der ein sonderbares Angebot von seinem zukünftigen Schwiegervater erhält. Der Tagtraum zu seiner Geschichte kommt Julia, als sie einen Mann im Supermarkt dabei entdeckt, wie er ganz bewusst einen Kaugummi klaut. Diese Tagträume wirken meist wie aus dem Leben gegriffen, man kann sich sehr gut vorstellen, dass ihre Lebensgeschichte genau dieses Verhalten, welches Julia beobachtet, bei ihnen verursacht hat.
Die Sprache des Autors ist sehr locker, modern gehalten und absolut flüssig. Ich habe mich durchweg sehr gut unterhalten gefühlt und irgendwie regt das Buch auch zum Nachdenken an bzw. vielleicht ab und an doch einmal mit etwas offeneren Augen durchs Leben zu gehen und wenn man auf eine merkwürdige Situation mit einem Fremden stößt, sich zu überlegen, welche Lebensgeschichte hinter dieser Situation stecken mag.