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Dienstag, 29. Oktober 2013

{Rezension} Die Tote von Schönbrunn von Edith Kneifl


Cover & Verlag: Haymon
Taschenbuchausgabe: 272 Seiten
Genre: Historischer Krimi / Band 2
ISBN: 978-3-85218-950-5
Erscheinungsdatum: 04. September 2013
Preis: 9,95 €

  


 

Der "Jack the Ripper" von Schönbrunn

 

Wien im Jahre 1898: Die ganze Stadt ist geschockt von der Meldung, dass Kaiserin Sisi in Genf von einem italienischen Anarchisten ermordet wurde. Die Anteilnahme der Wiener Bevölkerung an der Trauerfeier zu Ehren ihrer Kaiserin ist riesengroß, obwohl die Monarchin in den letzten Jahren kaum noch in Erscheinung getreten war und sich mehr im Ausland als in der Hofburg aufhielt. Noch während der Beerdigung kommt es zu einem Mord. Das Pikante daran: Die Tote wird im Badezimmer der Kaiserin aufgefunden und sah der jungen Sisi zum Verwechseln ähnlich. Oberkommissär Rudi Kasper wird mit der Aufklärung des Mordes betraut. Noch während die Ermittlungen anlaufen, kommt es zu einem weiteren Mord. Dem nicht genug, wird im Park die Halbschwester von Gustav von Karoly überfallen. Der Privatdetektiv wird von seinem Vater, Graf Batheny, mit der Klärung des Falles wie auch mit der Aufklärung der Sisi-Morde beauftragt.





 

Privatermittler Gustav von Karoly lebt zusammen mit seiner Tante Vera und deren Patenkind, der 25-jährigen Dorothea Palme über den k.k.-Hofstallungen. Das Vermögen der Familie ist zwischenzeitlich verbraucht und so leben die Drei mehr schlecht als recht von den Ermittlungsaufträgen des ehemaligen Soldaten. Durch seinen Jugendfreund Rudi Kasper früh über den ersten Mord informiert, ist das Interesse von Gustav ob der Aufklärung schnell geweckt. Als dann auch noch seine Halbschwester Marie-Luise in einem Park von einem Fremden überfallen wird, ermittelt Gustav mehr oder weniger zusammen mit Rudi an dem Mordfall, dem bald weitere folgen sollen. Schnell werden auch die Rufe in der Bevölkerung zur Aufklärung der Morde immer lauter, die Polizei gerät immer mehr unter Druck und nach und nach werden Parallelen zu den Jack-the-Ripper-Morden gezogen, welcher rund 10 Jahre zuvor in London sein Unwesen trieb. Während Oberkommissär Kasper unter Hochdruck ermittelt, lässt es Gustav etwas ruhiger angehen, doch seine hervorragenden Kontakte zum Hochadel verhelfen ihm zu dem ein oder anderen Hinweis, welche ihn langsam aber sicher auf die Spur des Mörders führen.

 

Ehe man es sich versieht, fühlt man sich in das Österreich des 19. Jahrhunderts zurückversetzt mit seinem Gaslaternen, den Fiakern, den Kaffeehäusern und der Wiener Schmäh' ist auf jeder Seite zu spüren, auch geizt die Autorin nicht mit Anekdoten und Wissenswertes rund um die Stadt Wien. Man hat praktisch sofort die prächtigen Roben der Damen, die glamourösen Salons und die pompösen Villen und Schlösser Wiens vor Augen, aber Edith Kneifl führt ihre Leser auch in die ärmeren Stadtteile von Wien. So abwechslungsreich das Leben in Wien ist, so unterschiedlich und facettenreich sind auch die Mitwirkenden des Krimis.

 

Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Tante Vera und deren Patentochter Dorothea ermittelt Gustav fortan in den aristokratischen Kreisen Wiens nach dem Mörder, der seinem Morden kein Ende zu setzen scheint. Und immer wieder fallen ihm Frauen zum Opfer, die eine frappierende Ähnlichkeit mit der jungen Kaiserin aufweisen. Edith Kneifl gibt ihren Lesern kaum Anhaltspunkte an die Hand bezüglich der Identität des Täters. Klar ist eigentlich nur, dass der Täter dem Hochadel angehören muss bzw. in diesen Kreisen verkehrt. Und so dauert es auch fast bis zum Ende des Historischen Krimis, bevor man eine Ahnung in Bezug auf den Mörder erhält.

 

Aber der Schwerpunkt der Geschichte liegt nicht auf der Ermittlungsarbeit von Gustav. Fast mehr Wert legt die Autorin darauf, einem das Privatleben und das gesellschaftliche Umfeld ihres Protagonisten näher zu bringen. Hierdurch lernt man einen Mann kennen, der sich gewandt in den Kreisen der Aristokratie bewegt und ein eher schwieriges Verhältnis zu seinem Vater Baron von Bethany pflegt, obwohl dieser verstärkt Kontakt zu seinem unehelichen Sohn sucht. Sein schwacher Magen kommt ihm gerade bei den Tatortbesichtigungen nicht zugute und zudem ist Gustav sich noch nicht ganz schlüssig darüber, welche Gefühle er nun gegenüber der rebellischen Dorothea hegt, die wahrlich ohne Rücksicht auf Etikette frei ihre Meinung äußert. Deren Traum ist es, Medizin zu studieren, doch dies wird ihr in Wien verwehrt, nun wartet sie ungeduldig auf die Aufnahme an einer Universität in der Schweiz. Hinzu kommt noch die nicht minder resolute und modern denkende Tante von Gustav, welche sich für die Frauenrechte stark macht und von Gustav sehr geschätzt wird.

 

Der Sprachstil der Autorin ist dem ausgehenden 19. Jahrhundert angepasst, immer wieder durchsetzt mit Wiener-Begrifflichkeiten. Dies, wie auch der bildhafte Erzählstil sorgt für eine atmosphärische Dichte, wodurch man gerne darüber hinwegsieht, dass der Krimi sich lange Zeit wenig spannend entwickelt. Dafür aber äußerst amüsant, unterhaltsam, kurzweilig und informativ. Edith Kneifl vermittelt sehr gut die dekadente, herablassende Lebensart der österreichischen Aristokratie, die sich ihrem Monarchen entsprechend zumeist gegen jegliche Moderne ausspricht. Wogegen gerade Tante Vera und Dorothea Palme immer wieder nur zu gerne rebellieren.

 

Fazit: Ein faszinierender wie unterhaltsamer Einblick in die aristokratischen Kreise Wiens des ausgehenden 19. Jahrhunderts, gewürzt mit einer Prise Spannung und einer äußerst interessanten wie komplexen Handlung.

 

Die Autorin:
Edith Kneifl, geboren 1954 in Wels, lebt und arbeitet als Psychoanalytikerin und freie Schriftstellerin in Wien. Zahlreiche Literaturpreise und -stipendien, erhält u.a. 1992 als erste Frau den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman des Jahres. Übersetzungen in mehrere Sprachen. ROMY 2003 für die Verfilmung des Romans Ende der Vorstellung, Regie Wolfgang Murnberger. 12 Kriminalromane und ca. 50 Kurzgeschichten. Bei Haymon: Glücklich, wer vergisst. Krimi (2009), Schön tot. Ein Wien-Krimi (2010), Stadt der Schmerzen. Ein Florenz-Krimi (2011), Blutiger Sand. Kriminalroman (2012) sowie bei HAYMONtb Zwischen zwei Nächten. Kriminalroman (2011) und die ersten zwei Teile ihrer Serie historischer Wien-Krimis rund um Gustav von Karoly Der Tod fährt Riesenrad (2012) und Die Tote von Schönbrunn (2013). http://www.kneifl.at

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