Leseempfehlungen

Samstag, 16. Februar 2013

{Rezension} Der Komet von Hannes Stein

Verlag & Cover: Galiani Berlin
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Genre: Utopischer Roman
ISBN: 978-3-86971-067-9
Erscheinungsdatum: 14. Februar 2013
Preis: 18,99 €




Was wäre, wenn ….

… es den 1. Weltkrieg nie gegeben hätte und somit auch nicht den 2. Weltkrieg wie auch den Kalten Krieg?

Deutschland lebt in einer kaiserlichen Monarchie, ist in Sachen moderner Technologie und Kultur führend, die Weltsprache ist Deutsch. Wien und das k. u. k.-Reich sind der Nabel der Welt. Juden, Muslime und Christen leben friedlich miteinander und der Mond wurde von den Deutschen kolonisiert. Amerika ist mehr noch ein Hinterwäldlerstaat, der langsam erst den Anschluss an das alte Europa findet. Ein friedliches, harmonisches Leben, dem dennoch die Katastrophe droht. Ein Komet ist auf Kollisionskurs zur Erde, seine Flugbahn kann nicht verändert werden, der Einschlag soll in wenigen Monaten erfolgen.

Was für eine interessante wie auch wunderbare Vorstellung: Ein einziges Entscheidung wird anders getroffen und schon hat dies immense Auswirkungen auf das weitere Weltgeschehen. „I bin doch ned deppat, i fohr wieder z’haus.“ Dies ist der Schlüsselsatz, gesprochen vom österreichischen Thronfolger am 28. Juni 1914 in Sarajewo.



Hannes Steins utopischer Roman, der wie ein Märchen anmutet, spielt Ende der 1990er Jahre in Wien. Friedlich leben hier Christen und Juden miteinander, Rabbiner und Kardinäle führen philosophische Gespräche, der Wiener Schmäh ist an jeder Ecke zu spüren, Kultur ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens, literarische Salons sind bei den Wienern sehr beliebt, selbst der ärmste Bauer hat noch ein gutes Auskommen und mit seinem Kaiser ist man ebenfalls glücklich. In dieser Welt lebt der etwas naive junge Alexej von Repin, der eine Liaison mit der Gesellschaftsdame Barbara Gottlieb beginnt, deren Mann als Hofastronom gerade auf dem Mond weilt. Seine Geschichte wie auch der drohende Einschlag des Kometen sind mehr oder weniger der rote Faden der Geschichte.

Aber in erster Linie beschreibt Hannes Stein das Leben an sich in Wien und der restlichen Welt. Wie sich die Geschichte hätte entwickeln können, wenn es nie zu den Kriegen gekommen wäre. So lebt Anne Frank noch, eine etwas rebellische alte Dame, die gerade den Literatur-Nobelpreis erhalten hat. Albert Einstein hat den Mond bereist, ist dort an einem Aneurysma gestorben und beerdigt worden. Englische Begrifflichkeiten existieren nicht, Amerika findet im alten Europa kaum Erwähnung und wird eher als Entwicklungsstaat angesehen und Japan, ja die Japaner. Ein seltsames Völkchen, dass man halt mal machen lässt. Die ärmeren Länder werden unterstützt, nicht ausgebeutet und die Kolonalisierung steht in voller Blüte. Ein wunderbares, friedfertiges Leben, welches Hannes Stein hier zaubert und vom Autor sehr gut durchdacht erzählt wird.

Obwohl der Roman Ende des 20. Jahrhunderts spielt, hat man ständig das Gefühl, dass die Geschichte gut 100 Jahre früher spielen könnte, da jegliche modernen Begrifflichkeiten fehlen und zum Beispiel von elektronischer Post anstelle von Email geredet wird, man die Elektrische anstelle der S- oder Straßenbahn benutzt. Mit einem zwinkernden Auge erzählt Hannes Stein seine Geschichte, die amüsant, unterhaltsam, tiefsinnig, anspruchsvoll und auch ein wenig skurril anmutet.

Aber sie ist auch durchsetzt mit sehr viel geschichtlichem Hintergrund, bei dem Hannes Stein wirklich aus dem Vollen schöpft. Und hier liegt meines Erachtens ein klein wenig das Manko in diesem ansonsten sehr unterhaltsamen Roman. Stellenweise wird man regelrecht überflutet mit Informationen, die oftmals seitenlang im Glossar erklärt werden.

Hannes Stein greift die geschichtlichen Geschehnisse Anfang des 20. Jahrhunderts auf und führt diese seinen eigenen Vorstellungen entsprechend weiter, als hätte es die anschließenden Ereignisse nicht gegeben und lässt hier seiner Fantasie freien Lauf.  Somit ist dies auch mit vielen Erklärungen verbunden, wie beispielsweise sich die unterschiedlichen Religionen weiterentwickelt haben, aber auch die Politik bzw. die verschiedenen Herrscher ihre Denkweise geändert haben und auch philosophische Gespräche finden in seinem Roman immer wieder viel Raum. Toleranz, Respekt und die Akzeptanz anderer Kulturen und Religionen gegenüber werden in Hannes Steins Roman großgeschrieben, eine wunderbare wie leider auch sehr utopische Vorstellung.

Fazit: Für geschichtlich interessierte, anspruchsvolle Leser, die sich besonders für die k.u.k.-Monarchie interessieren, ein äußerst interessanter, unterhaltsamer und auch sehr amüsanter Roman.

Der Autor:

Hannes Stein wurde 1965 in München geboren und in Salzburg aufgewachsen. Er ist Publizist. In Berlin schrieb er für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Spiegel und Die Literarische Welt. Im Sommer 2007 ist er nach New York ausgewandert, wo er als Journalist und Autor lebt.


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2 Kommentare:

  1. Auf diese rezi war ich shcon sehr gespannt...ich weiß aber leider noch immer nicht, ob das Buch was für mich ist oder nicht...äh...das liegt natürlich nicht an deiner tollen Rezi, sondern einfach an meinem Geschmack. Ich denken, wenn ich es in der Bücherei finden würde, würde ich es mitnehmen, kaufen aber nicht. Das Wien in der k.u.k. Zeit ist sicher sehr interessant und falls es hier Dialekt gibt...darin würd ich mich ja nicht schwertun ;) LOL
    Liebe Grüße
    Martina

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  2. Hallo Martina,
    ja, es ist wirklich schwer, dieses Buch einem zu empfehlen oder nicht. Die Ansichten des Autors und seine Schreibweise sind wirklich hervorragend, aber wie gesagt, auch sehr philosophisch und geschichtslastig und Dialekt kommt zu gut wie gar nicht vor. Wenn Du es in der Bücherei sehen solltest, nimm es mit und les Dich ein, vielleicht gefällt es Dir ja.
    LG Isabel

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