Leseempfehlungen

Montag, 13. Januar 2014

{Rezension} Der verbotene Fluss von Susanne Goga



Cover & Verlag: Diana
Taschenbuchausgabe: 464 Seiten
Genre: Historischer Roman / England 19. Jhr.
ISBN: 978-3-453-35650-4
Erscheinungsdatum: 13. Januar 2014
Preis: 9,99 €


Die Liebe einer Mutter

Im Herbst des Jahres 1890 verlässt Charlotte Pauly Berlin und reist nach England. Dort hat sie eine Stelle als Gouvernante bei einem Parlamentsabgeordneten angenommen. Charlotte soll dessen achtjährige Tochter Emily unterrichten. Ein halbes Jahr zuvor verlor die kleine Emily unter tragischen Umständen ihre Mutter und ist nach wie vor entsprechend bedrückt. Zudem wird Emily nachts von schrecklichen Alpträumen geplagt, in denen oft auch ihre verstorbene Mutter eine Rolle spielt. Charlotte beginnt Fragen zu stellen, doch gerade bei Emilys Vater rennt sie gegen eine Mauer des Schweigens. Sir Andrew weigert sich hartnäckig über seine Frau zu sprechen und verbietet auch jedem in seinem Haushalt, Lady Ellen zu erwähnen. Als sich der seelische Zustand von Emily immer weiter verschlimmert und die Alpträume bedrohliche Ausmaße annehmen, erhält Charlotte tatkräftige Unterstützung von dem Journalisten Tom Ashcroft. Doch werden sie das geisterhafte Rätsel auf Chalk Hill lösen können?



Unangenehme Ereignisse in Berlin veranlassen die junge, selbstbewusste und sehr sympathische Charlotte ihre Gouvernanten-Stelle aufzugeben und den großen Schritt Richtung England zu wagen. In der Nähe von London auf Chalk Hill hofft sie, die Erlebnisse in Berlin endlich vergessen und hier ein neues Leben beginnen zu können. Die liebenswerte, neugierige wie wohlerzogene Emily rührt sofort ihr Herz und Charlotte unterrichtet die Kleine mit Freuden, unternimmt auch nach dem Unterricht einige Streifzüge durch die Gegend mit ihr. Doch es lässt sich nicht verbergen, dass Emily schwer unter dem Tod ihrer geliebten Mutter leidet, umso unverständlicher für Charlotte, dass Sir Andrew sogar seiner Tochter verboten hat, den Namen ihrer Mutter jemals wieder zu erwähnen. Ihre Trauer scheint die Kleine in ihrem Träumen zu verarbeiten, die mit der Zeit immer heftiger werden, zudem geschehen recht seltsame Dinge auf Chalk Hill, die Charlotte keine Ruhe mehr lassen. Sie entdeckt rätselhafte Spuren, ein Tor in den düsteren Wald scheint für Emily von Bedeutung zu sein und der Fluss Mole darf im Hause des Parlamentsabgeordneten nicht erwähnt werden.

Da sie auf Chalk Hill keine Antworten auf ihre Fragen findet, hört sich Charlotte bald schon im nahegelegenen Ort um. Dort weiß man aber auch wenig. Nur, dass Lady Ellen eines nachts in den reißenden Mole gestürzt ist, der in die Themse mündet. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Doch dann wird sie auf das ehemalige Kindermädchen von Lady Ellen aufmerksam. Allerdings kann die alte Frau zwischen Wahn und Wahrheit nicht mehr unterscheiden. Einige Fragen bekommt Charlotte zwar beantwortet, doch diese bringen die Gouvernante nicht weiter, um Emily zu helfen. Bald schon sieht Emily nachts ihre Mutter und auch tagsüber wirkt sie oft wie entrückt, als würde sie Stimmen hören. Erscheint wirklich der Geist von Lady Ellen ihrer Tochter?

Atmosphärisch dicht ist der Roman umgesetzt. Vor dem inneren Augen sieht man mühelos das herrschaftliche Anwesen mit dem angrenzenden Wald und dem rätselhaften Tor wie auch das kleine Örtchen mit seiner Pfarrkirche und dem Teehaus. Ende des 19. Jahrhunderts war Spiritismus in England en vogue. Überall fanden Séancen statt, Wahrsager und Medien hatten Hochkonjunktur und somit auch Hochstapler. Susanne Goga geht in ihrem Roman auf dieses Thema ebenfalls ein, lässt auch einige historische Persönlichkeiten mitspielen, wodurch dem Buch zudem eine etwas gruselige, mysteriöse Stimmung anhaftet.  Auch ihre Protagonistin kommt hiermit in Berührung, doch die rational denkende und praktisch veranlagte Charlotte glaubt nicht an Geistescheinungen und Stimmen aus dem Jenseits. Doch offensichtlich ist es genau das, was ihren Schützling so sehr belastet. Als der Journalist Tom hinzugezogen wird, ein bekennender Agnostiker, ist Charlotte froh, endlich jemanden zum Reden gefunden zu haben. Beide suchen nach einer „normalen“ Erklärung für Emilys Verhalten und sehen sich immer wieder mit dem Phänomen der Geisterscheinungen konfrontiert.

Nach gut der Hälfte dieses fantastischen düsteren, beklemmenden und äußerst fesselnden Romans hatte ich eine Ahnung davon, warum Sir Andrew so hartnäckig schweigt, was schlussendlich der Auslöser für die weiteren Geschehnisse ist, allerdings überhaupt keine davon, wie Susanne Goga dies plausibel umsetzen könnte. Mit meiner Vermutung lag ich richtig und die Lösung der erschütternden Ereignisse erklärt die Autorin am Schluss ihres wunderschönen Romans absolut nachvollziehbar. Die Geschichte lebt zwar von der rätselhaften, gruseligen und durchaus auch spannenden Stimmung des Buches, aber auch die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet und überzeugen bis in die kleinste Nebenrolle jederzeit. Gut gefiel mir, dass Susanne Goga die Gruseleffekte eher im Hintergrund lässt, wodurch ständig Zweifel aufkamen, wie die Ereignisse sich nun interpretieren lassen. Und somit ging es einem ständig wie Charlotte und Tom: Man glaubt nicht an übersinnliche Fähigkeiten, aber die Geschehnisse weisen dennoch genau daraufhin.

Fazit: Atmosphärisch dicht umgesetzter Roman, mit einer schaurig schönen und jederzeit packenden Story, welche zudem sehr gut den Zeitgeist Englands Ende des 19. Jahrhunderts einfängt.


Die Autorin:
Susanne Goga, 1967 geboren, ist eine renommierte Literaturübersetzerin und Autorin. Im Diana Verlag erschienen bereits ihre Romane Das Leonardo-Papier sowie Die Sprache der Schatten, für den sie 2012 mit dem DeLiA-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach.

2 Kommentare:

  1. tolle Rezension. Das Buch werde ich sicherlich auch kaufen, obwohl ich Bücher, die so weit in Vergangenheit spielen nicht mag aber das klingt irgendwie überzeugend :)

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  2. Klingt ja wirklich sehr ansprechend…und wirklich ein wenig schaurig! Also kommt auch das auf meine Leseliste…
    LG
    Olivia

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