Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
Genre: Historischer Roman
ISBN: 978-3-453-29168-3
Erscheinungsdatum: 14. April 2015
Preis: 19,99 €
Wie Schwestern
Im Sommer 1975 hat Carla
Whiteman einen schweren Autounfall und die Erinnerungen an die Monate davor
fehlen ihr völlig. Da sie spürt, dass ihr Ehemann Tom wie auch ihr Vater Paul
ihr etwas verbergen und ihr die Gedächtnislücken keine Ruhe lassen, begibt
Clara sich auf Spurensuche, die sie an die Küste Cornwalls wie auch nach West-Berlin
führen. Ihre Suche führt sie zurück in die Vergangenheit, bei der Clara einem
lange gehüteten Familiengeheimnis auf die Spur kommt. Im Jahr 1922 nimmt die Mutter
der elfjährigen Dora eine Stelle als Hausmädchen im Hause eines reichen
Papierfabrikanten an. Dora freundet sich mit der gleichaltrigen Tochter des
Fabrikanten an und beide Mädchen werden schnell enge Freundinnen. Trotz aller Standesunterschiede
überdauert ihre Freundschaft die Jahre hinweg. Beide genießen ihre Jugend in
der schillernden Hauptstadt, doch schon bald prägen immer mehr die Einflüsse
der Nationalsozialisten das Stadtbild. Noch vor Kriegsbeginn lernt Dora den
ehemaligen Sportler Paul Behringer kennen und lieben. Kurz nach ihrer Hochzeit
heiratet auch Edith die Adligen Maximilian von Stettenheim. Beide führen ein aufregendes
Leben, doch ihr Glück findet Edith erst bei den Juden Jules Cohn, der im
Widerstand aktiv ist. Ein lebensgefährliches Unterfangen so kurz vor
Kriegsbeginn für das verliebte Paar.
Claire Winter erzählt ihren
wundervollen, atmosphärisch dicht umgesetzten Roman zumeist aus Sicht von Clara
und Dora. Hierdurch wechselt die Autorin regelmäßig zwischen den Zeiten und so
verfolgt man zum einen die Recherchen von Clara wie auch das ereignisreiche Leben
von Dora und Edith. Wobei der Handlungsstrang der Vergangenheit niemals
vorgreift, sodass man immer auf demselben Wissensstand um das Schicksal von
Edith wie Clara ist.
Gerade der Erzählstrang der
Vergangenheit gestaltet sich sehr intensiv, bildhaft und absolut fesselnd. Dora
und Edith wachsen wie Schwestern auf. Ediths Eltern sind sehr modern denkende,
musische Menschen, die keine Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen
Schichten oder der Religiosität eines Menschen machen. In Ediths Elternhaus
verkehren viele Juden und auch zu Ediths und Doras Freundeskreis zählen einige
Menschen jüdischen Glaubens. Weder die bodenständige Dora noch die egozentrische,
weltoffene Edith haben damit irgendwelche Probleme. Selbst als die Nazis immer
mehr die Herrschaft übernehmen, stehen Beide zu ihren Freunden. Doch das Leben
der jüdischen Bevölkerung wird in Berlin immer schwerer. Jules Cohn, einer der
Freunde der jungen Frauen, verliert 1933 seine Anstellung im Berliner
Orchester. Für den Violinist bricht damit eine Welt zusammen, doch anstelle
sich seinem Schicksal zu fügen, geht der junge Mann in den Widerstand.
Beeindruckend eindringlich
beschreibt Claire Winter die Willkür und die maßlose Gewalt, welcher die
Berliner Bevölkerung und besonders die Juden durch das Nazi-Regime mehr und
mehr ausgesetzt sind. Immer mehr regiert die Angst in der Hauptstadt. Und doch
glauben noch viele Juden, dass es so schlimm nicht werden wird und bleiben
trotz aller Schikanen, Enteignungen und Verhaftungen in der Hauptstadt, während
viele andere bereits in den frühen 1930er Jahren ins Ausland emigrieren.
Aber auch der Erzählstrang der
neueren Vergangenheit gestaltet sich sehr einnehmend und packend. Einfühlsam
beschreibt Claire Winter die innere Zerrissenheit von Clara, die deutlich
spürt, dass Tom wie auch ihr Vater etwas vor ihr zu verbergen versuchen. Zudem
merkt sie deutlich, dass etwas in den Monaten, an welche sie sich nicht mehr
erinnern kann, ihre Beziehung zu Tom stark beeinflusst haben muss. Und dann
trifft sie den Journalisten David wieder, der ihr dabei hilft, die verlorenen
Monate aufzuarbeiten, die eng mit dem rätselhaften Verschwinden von Edith von
Stettenheim in Verbindung stehen.
Ihre Protagonistinnen Clara,
Dora und Edith, die so vollkommen unterschiedliche Charaktere sind, beschreibt
Claire Winter sehr lebendig und überzeugend. Über das Schicksal von Edith und
somit dem Familiengeheimnis der Familie Behringer erfährt man nur peu a peu
etwas, ist zumeist auf demselben Wissensstand wie Clara, doch stellenweise ahnt
man bereits einige Geschehnisse im Vorfeld. Doch diese Ahnung nimmt keineswegs
die Spannung aus diesem äußerst fesselnden, wendungsreichen Romans.
Fazit: Ein Familiengeheimnis,
das bis weit in die Gegenwart seine Spuren hinterlässt – warmherzig,
eindringlich und äußerst packend erzählt.
Die Autorin:
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