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Montag, 9. Juli 2012

{Rezension} Flucht eines Toten von David Bielmann



Broschierte Ausgabe: 256 Seiten
ISBN: 978-3-9523657-2-4
Erscheinungsdatum: 06. Juli 2011
Preis: 19,90 €





Die Melodie seines Lebens

Rechthalten bei Freiburg/Schweiz im Jahr 1967: Der 27-jährige Albert Leblanc führt in dem kleinen Ort ein trostloses Leben. Als Koch in der Dorfkneipe arbeitend, ist er ständig dem Hohn und Spott seines Chefs wie auch der Wirtshausbesucher ausgesetzt, Anerkennung für seine mittlerweile recht guten Kochkünste erhält er nie. Seine Freizeit verbringt er nur mit seiner geliebten Gitarre und dem Absinth. Einzig die Serviertochter Mona ist freundlich zu ihm. Kein Wunder also, dass Albert immer öfter an den Tod denkt und schließlich ist der Tag gekommen, an dem er sich ein Ultimatum setzt: In 4 Tagen wird er seinem Leben ein Ende setzen, doch gestaltet sich dies schwieriger als gedacht.




Dies hört sich alles sehr düster und bedrückend, ja regelrecht depressiv an. Ist es aber ganz und gar nicht. David Bielmann ist mit „Flucht eines Toten“ ein wirklich außergewöhnlicher Roman gelungen. Bildhaft und eindringlich zeigt er einem die triste Welt des Albert Leblanc auf. Dieser ist ein liebenswürdiger, hilfsbereiter, gefühlvoller, verschüchterter und  introvertierter junger Mann, der sich eigentlich nur ein wenig Wärme und Zuneigung von den Menschen wünscht, was ihm jedoch stets verwehrt wird. Für die Bewohner von Rechthalten ist Albert mehr oder weniger nur der Dorfdepp, den man verhöhnen und verspotten kann, nicht ernst nimmt und über den man Witze reißt, selbst wenn er anwesend ist. 

Wen wundert’s, dass Albert irgendwann beschließt, aus dem Leben zu scheiden. Das Dorf zu verlassen und irgendwo anders einen Neustart zu wagen, dies traut er sich nicht, ist Albert doch noch nie viel weiter als bis Freiburg gekommen. Und somit plant der Koch präzise seinen eigenen Tod, erlebt viele Handlungen noch einmal ganz bewusst, verabschiedet sich ganz still und leise von seinem bisherigen trostlosen Leben.

Auf dieser Reise begleitet man Albert und noch darüber hinaus, denn das Buch heißt nicht umsonst „Flucht eines Toten“. Ohne dabei den mahnenden Zeigefinger zu erheben, führt David Bielmann einem vor Augen, wie sehr man mit unbedachten Äußerungen andere Menschen verletzten kann. Wie es für Reue zu spät sein kann, wenn man am Grab steht und erkennen muss, dass man eigentlich nie ein nettes Wort für denjenigen übrig hatte, ihn eigentlich nie wirklich wahr genommen hat. Aber daneben zeigt der Autor auch, wie kleine, freundliche Gesten einen Menschen aufbauen, ihm Hoffnung geben und ein Grund sein können, sein Leben nicht aufzugeben. Auch die Liebe darf Albert erleben, welche sich anfangs zart und vorsichtig entwickelt, mit der Zeit immer mehr reift und Albert so offenbart, dass es sich durchaus lohnen könnte, zu leben.

Dieses Wechselbad der Gefühle, welches Albert im Verlauf des Buches erleben muss, erzählt David Bielmann in einer wortgewandten, ruhigen, nachdenklichen, eindringlichen Sprache, die perfekt den etwas gediegenen 1960er Jahren angepasst ist. Ganz selten blitzt sogar ein sehr feinsinniger Humor auf. Durch diese wunderschöne Schreibweise löst die Geschichte die unterschiedlichsten Emotionen während des Lesens aus und lässt einen gebannt das tragische Leben von Albert Leblanc verfolgen, dem man eigentlich nur ein wenig Glück wünschen möchte.

Fazit: Ein ungewöhnlicher, gefühlvoller und sprachgewaltiger Roman mit einer außergewöhnlichen Geschichte und einem hervorragend gezeichneten Protagonisten.

Der Autor:
David Bielmann, geboren 1984, lebt in Rechthalten. Studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Freiburg (CH). Unterrichtet Deutsch als Fremdsprache an der Berufsfachschule Technik und Kunst in Freiburg.



2 Kommentare:

  1. Schöne Rezension! Das Buch behalte ich mal im Auge, klingt nach etwas für mich ;)

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    1. Danke!!! Und ja, ich kann es Dir wirklich nur empfehlen. Ein wunderschönes Buch, dass sich von der Masse abhebt!
      LG Isabel

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