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Montag, 14. Februar 2011

(Rezension) Beste Beziehungen von Gustav Ernst


Verlag: Haymon Verlag
Gebundene Ausgabe: 212 Seiten

Genre: Gegenwartsliteratur
ISBN: 3852186773

Erscheinungsdatum: 28. Januar 2011
Preis: 19,90 €




Ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen

Manuel F. wird von seiner Freundin Janine K. aufs äußerste gereizt und gedemütigt, so lange, bis er nur noch eine Möglichkeit sieht. Lisa setzt kontinuierlich ihren Ehemann Frank unter Druck mit ihrem Wunsch nach einem neuen Haus und gesellschaftlicher Anerkennung. Hierfür ist eine Beförderung unumgänglich. Irgendwann hält Frank den Druck nicht mehr aus. Philipp Stöger ist Gymnasiallehrer in Deutsch. Was liegt näher als seiner 7-jährigen Nichte Nachhilfe in diesem Fach zu geben. Doch es bleibt nicht bei der Nachhilfe im Deutschunterricht, denn Philipp hat ein Interesse an kleinen Mädchen, sieht sich immer wieder Kinderpornographie im Internet an, bis ihm seine Fantasien nicht mehr ausreichen. Als Sigi mit 52 Jahren seine Kündigung erhält, macht er die Geschäftsleitung und den Betriebsrat dafür verantwortlich. Er will Gerechtigkeit und geht mit einer Waffe ins Büro des Betriebsratsvorsitzenden.

Eigentlich fast täglich hört und sieht man in den Nachrichten von Misshandlungen, Mord, Missbrauch und Familientragödien. Man ist betroffen, schockiert, kann das Verhalten der Täter nicht nachvollziehen, aber doch sind diese Geschehnisse auch schnell wieder vergessen, der Alltag holt uns wieder ein. Gustav Ernst erzählt in seinem Roman diese Geschichten und Tragödien. Jedoch ergreift er dabei keine Partei, sondern berichtet neutral wie diese Wahnsinnstaten entstehen konnten und schildert dies gnadenlos.

Die oben angeführten Fälle sind nur einige aus dem Buch. Und Gustav Ernst geht auch einen Schritt weiter und zeigt dem Leser ebenso die Auswirkungen auf, die Tat selbst. In einer sehr eindringlichen, wirklich schonungslosen, direkten und stellenweise auch rüden Weise, die der Situation immer angepasst ist, erzählt er die Schicksale dieser Menschen. Und er überschreitet hier wirklich Grenzen, denn seine Schilderungen sind so realistisch gehalten, dass ich stellenweise das Buch zur Seite legen musste, einfach nicht mehr weiterlesen konnte, da mir diese Berichte sehr nahe gegangen sind und ich somit auch an meine Grenzen gestoßen bin.

Die Geschichten sind zumeist in Dialogen gehalten, sodass man fast sofort das Gefühl hat, an diesen als unsichtbarer Dritter mit eingebunden zu sein, die Diskussionen, Streitereien und auch die Eskalation der Situation hautnah mitzuerleben.

Wie oft fragt man sich, wenn man von solchen Tragödien hört, warum diese Menschen es so weit haben kommen lassen, warum sie nicht früher aus ihrer momentanen Situation ausgebrochen sind, als sie hierfür noch die Chance hatten oder aber, wie eine Ehefrau nicht bemerkt haben will, dass ihr Ehemann pädophile Neigungen hat. Aber hier spielen einfach zu viele Faktoren mit hinein wie Abhängigkeit, Manipulation (auch sexueller Art), aber auch einfach das Verschließen der Augen vor dem Offensichtlichen.

Da fragt sich die Ehefrau zwar schon, warum ihr Mann der Nichte immer nur Nachhilfe gibt, wenn sie nicht zu Hause ist und warum dann ständig nasse Handtücher in der Waschmaschine liegen. Aber sie hinterfragt nicht, will wahrscheinlich einfach nicht die Wahrheit wissen, bringt es sogar noch fertig, ihrer Nichte die Schuld zu geben. Und diese ganzen Faktoren beleuchtet Gustav Ernst zu jeder seiner Geschichte im Vorfeld, sodass die Handlungen der Täter jetzt nicht unbedingt für einen verständlich werden, man zumindest jedoch nachvollziehen kann, wie es so weit kommen konnte.


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