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Freitag, 17. September 2010

{Rezension} Ein Paradies für alle von Justus Pfaue

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN: 9783547711684 
Genre: Historischer Roman
Erscheinungsdatum: 08. September 2010
Preis: 19,95 €


 
Das größte Kaufhaus der Welt

Berlin, Anfang der 1930er Jahre. Hanna Berger und der Kaufhauskönig und Vorstandsvorsitzende der Wertheim AG, Georg Wertheim, sind seit 25 Jahren ein Paar. Georg betreibt zusammen mit seinen Brüdern das Kaufhaus Wertheim, das als das Größte der Welt gilt. Doch die Zeiten für das Wertheim-Imperium wie auch für die Familie gestalten sich schwierig, denn die Wertheims sind Juden und Adolf Hitler steht kurz vor der Machtergreifung.

Die Geschichte der Familie Wertheim, insbesondere das Leben von Georg und seiner Hanna, stehen im Vordergrund des Romans. Nachdem man einen kurzen Einblick über ihr luxuriöses Leben Anfang der 1930er Jahre erhält, geht Justus Pfaue zurück zu den Anfängen der Familie und somit auch zu dem sagenhaften Aufstieg der neunköpfigen jüdischen Familie, die ihr Imperium dank Georg und Hugo binnen weniger Jahre aufbauen konnte.

In jungen Jahren werden die beiden Brüder, die ein sehr inniges Verhältnis verbindet, zu ihrem Onkel nach Berlin geschickt, um dort das Tuchgeschäft von der Pike auf zu lernen. Schnell entwickelt der junge Georg einen genialen Geschäftsinn und zusammen mit seinem älteren Bruder Hugo, dem kreativen Kopf, baut er das Geschäft Wolf & Apolant seines Onkels gewinnbringend aus. Georg ist der erste Kaufmann, der Festpreise und den Warenversand einführt. Hierbei stößt er anfangs auf viel Gegenwind, nicht nur bei seinem Onkel. Als es Hugo durch eine Lungenkrankheit immer schlechter geht, beschließen die Brüder, zurück nach Stralsund zu kehren. Als Dank erhalten sie von Onkel Wolf die nötige Starthilfe, um zu Hause das Familiengeschäft auszubauen. Mit Hilfe seiner tatkräftigen Familie gelingt ihnen dies auch recht schnell und es dauert nicht lange, bis auch eine Filiale in Rostock eröffnet wird. Doch Georgs Pläne gehen noch weiter: Er will ein großes Kaufhaus in Berlin eröffnen, in dem der Kunde König ist und man auch für kleines Geld gute Qualität kaufen kann. Und bald darauf erfüllt sich dieser Traum.

Das einzige, was nach Meinung seiner Mutter Ida ihm jetzt noch fehlt, ist eine Ehefrau. Doch in dieser Hinsicht ist Georg eher schüchtern und auch körperliche Kontakte jedweder Art vermeidet er, wo es nur geht. So lebt er lange Jahre zufrieden allein und das Einzige, was in seinem Leben zählt, ist das Geschäft. Hier blüht der geniale Stratege und Zahlenjongleur schier auf. Bis ihm Hanna Berger über den Weg läuft. Für den 49-jährigen fängt augenblicklich ein neues Leben an, denn die junge Hanna erwidert seine Gefühle und zudem ist sie auch noch ausnehmend hübsch, klug und hat einen hervorragenden Geschäftssinn. So sind die Beiden bald ein unschlagbares Team, doch ein dunkles Geheimnis um Hannas Vergangenheit hindert sie daran, zu heiraten. So bleibt Georg nichts anderes übrig, als eine verhasste Ehe mit der stämmigen Ursula Gilka einzugehen, um einen Erben für das Familienunternehmen zu sichern.

Die stets freundliche Hanna führt mit ihrem Georg ein sehr zurückgezogenes Leben und kann als „Guter Geist“ des Kaufhauses bezeichnet werden. Denn ihr gelingt es immer, Probleme mit der Belegschaft für alle Beteiligten so gut wie möglich zu lösen und auch hat sie für jeden der „Wertheimer“ immer ein freundliches Wort übrig. Georgs Frau Ursula zieht es derweil vor, zumeist auf Schloss Saßleben im brandenburgischen Land ein feudales Leben zu führen, sodass Georg mit seiner geliebten Hanna skandalfrei in ihrer gemeinsamen Berliner Wohnung leben kann. 

Das Leben des Überflusses und Glücks ist für Hanna und Georg  jedoch nur eine Frage der Zeit, denn die Machtergreifung von Adolf Hitler steht kurz bevor. Bereits Ende der 1920er Jahre bekommen die Wertheims zu spüren, was es heißt, eine überaus erfolgreiche jüdische Familie zu sein, denn die braunen SA-Schergen ziehen schon randalierend durch Berlin. Anfangs kann Georg hier noch seinen Einfluss in den oberen Kreisen der Berliner Gesellschaft spielen lassen, doch nach und nach ziehen sich immer mehr Freunde und Geschäftspartner von ihm und seiner Familie zurück.

Justus Pfaue gelingt es sehr gut die Geschichte der Familie Wertheim zu erzählen und hier biografische wie auch fiktive Elemente logisch zu verknüpfen. Sehr anschaulich, warmherzig und äußerst unterhaltsam schildert er das Leben der Familie, wobei der Fokus natürlich bei Georg Wertheim – dem Macher und Gründer der Wertheim AG – liegt.
Der Autor hält sich sehr an die geschichtlichen Vorgaben der Familie Wertheim und lässt auch einige bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der damaligen Zeit in die Geschichte mit einfließen. Allerdings ist davon auszugehen, dass Hanna Winter hier leider mehr dem fiktiven Teil der Geschichte zuzuordnen ist.

Der Sprachstil des Autors ist eher gediegen, ja fast schon altmodisch, doch passt dies perfekt zur Geschichte und vermittelt einen so gut ein Gefühl für die damalige Zeit. Und man entdeckt mit Freude immer mal wieder eine Begrifflichkeit, welche man von den Großeltern her noch kennt und in unserer heutigen Zeit fast schon vergessen ist. 

Die Wandlung, welche Georg in Gegenwart von Hanna durchlebt, wirkt anfangs überraschend. Gilt er doch bei Freunden, bei der Belegschaft, selbst bei seiner Familie eher als gefühlskalt und unnahbar, so taut er in der Gegenwart von Hanna regelrecht auf und entwickelt eine sehr liebevolle Ader. Und so wirkt auch sein Charakter für den Leser lange Zeit eher schwer zugänglich, ja fast schon blass. Als jedoch die Beziehung von Hanna und Georg beginnt, erhält man nach und nach auch einen Zugang zur Figur Georgs und man stellt dann doch recht schnell fest, dass er zu tiefen Gefühlen durchaus fähig ist und so nimmt sein Charakter auch für den Leser mit der Zeit Konturen an.

Fazit: Alles in allem hält man hier einen interessanten und unterhaltsamen Roman in Händen, der wunderbar die Geschichte des Wertheim-Imperiums erzählt.

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