{Rezension} Zeugin der Toten von Elisabeth Herrmann

Cover & Verlag: List
Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
Genre: Deutscher Krimi
ISBN: 978-3471350379
Erscheinungsdatum: 02. März 2011
Preis: 19,99 €

Wer bin ich?

In Berlin arbeitet die Tatort-Cleanerin Judith Kepler bei einer Reinigungsfirma. Als sie wieder einmal einen Tatort reinigen muss, gerät sie per Zufall in den Besitz einer alten Stasi-Akte und muss bei deren Durchsicht erkennen, dass es sich hierbei um ihre eigene Akte handelt, die angeblich seit Jahren verschollen ist. Judith beginnt Fragen zu stellen und gerät dabei in das Visier verschiedener Nachrichtendienste, die um jeden Preis verhindern wollen, dass ein gut gehütetes Geheimnis aus dem 1985 ans Licht kommt.

Elisabeth Herrmann greift im vorliegenden Krimi Geschehnisse aus Zeiten des Kalten Krieges auf, als Stasi wie BND sich gegenseitig ausspähten und hierfür entsprechende Spione eingesetzt wurden. Im Prolog führt die Autorin ihre Leser in das Jahr 1985 zurück, als in einem Kinderheim auf Rügen zwei kleine Mädchen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgetauscht wurden. Man weiß bereits zu dieser Zeit, dass Judith eines dieser Mädchen war.

Nach dem erschütterten Prolog wechselt die Autorin in die Gegenwart und man lernt eine äußerst toughe, sture, abgeklärte Judith kennen, die gewissenhaft ihre Arbeit als Cleanerin nachgeht, eher abfällig über ihren neuen Kollegen Kai denkt und sich ausmalt, wie die letzten Stunden der Verstorbenen ausgesehen haben. Nach dem anstrengenden Arbeitstag freut Judith sich auf das freie Wochenende, doch ihr Chef Dombrowski macht ihr einen Strich durch die Rechnung und beauftragt sie mit einer weiteren Tatortreinigung. Und die Reinigung dieser Wohnung verändert Judiths Leben von Grund auf.

Logisch und präzise verfolgt Judith fortan die wenigen Spuren, welche ihr ihre Stasi-Akte bieten und dabei gerät sie immer mehr in das Visier verschiedener Nachrichtendienste. Unerwartete Unterstützung erhält Judith bald vom ehemaligen BND-Agenten Quirin Kaiserley, den ein misslungener Auftrag immer noch belastet.

Zwar ist der eingängige Schreibstil von Elisabeth Herrmann eher ruhig und zurückhaltend, dabei aber jederzeit fesselnd und vor allem auch sehr informativ. Nach und nach gibt sie ihren Lesern einen interessanten Einblick in die damalige Arbeit der Stasi und des Bundesnachrichtendienstes, verbindet viel Wissenswertes mit der Story und führt ihre Protagonistin hierdurch immer näher zu der Wahrheit über ihre eigene Vergangenheit. Und so ganz langsam beginnt man zu ahnen, in welcher Verbindung der Prolog und somit die damaligen Geschehnisse mit Judith stehen.

Ihre Protagonistin Judith ist kein einfacher Mensch. Zu oft wurde sie enttäuscht, Liebe oder Geborgenheit hat sie im Kinderheim nie kennengelernt, der Absturz ins Drogenmilieu ist fast schon vorprogrammiert. Doch Judith ist eine Kämpferin, zieht sich selbst aus dem Sumpf und findet bei Dombrowski einen väterlichen, wenn auch äußerst ruppigen Freund, der ihr Potential erkennt. Sie wird seine beste Tatortreinigerin und Judith nutzt diese Chance. Als sich dann die Ereignisse überschlagen, Judith auf der Flucht vor Polizei und Nachrichtendienste ist, steht Dombrowski unerschütterlich hinter ihr. Aber auch Quirin Kaiserley scheint Judith unbedingt helfen zu wollen, die Wahrheit zu finden, doch kann Judith ihm wirklich vertrauen?

Fazit: Ein packender Krimi mit einer eigenwilligen Protagonistin, der die jüngere deutsch-deutsche Geschichte aufgreift und äußerst spannend vermittelt.

Die Autorin (Quelle: Verlagsseite):

Elisabeth Herrmann ist eine der aufregendsten Stimmen unserer Zeit. Lebendig, abgründig, atmosphärisch – ihr Stil begeistert Krimileser seit der Veröffentlichung von Das Kindermädchen. (In der Verfilmung für das ZDF wird Jan Josef Liefers in der Hauptrolle zu sehen sein.) Mit Zeugin der Toten legt Elisabeth Herrmann nun einen Spannungsroman vor, der eine ganz ungewöhnliche Heldin vorstellt. Die Autorin lebt mit ihrer Tochter in Berlin.