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Dienstag, 16. Juli 2013

{Rezension} Erika Mustermann von Robert Löhr

Cover & Verlag: Piper
Klappenbroschur: 272 Seiten
Genre: Roman / Berlin
ISBN: 978-3-492-05452-2
Erscheinungsdatum: 16. Juli 2013
Preis: 16,99 €




Operation Plauschenat

Friederike Wolf ist entsetzt. Als überzeugtes Mitglied der Bündnisgrünen ist für die Berlinerin das Schlimmste passiert, was nur passieren konnte: Die Piratenpartei übertrifft das Ergebnis ihrer Partei bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und ziehen mit 15 Abgeordnete in den Berliner Landtag ein. Aber nicht genug! Ihr Erzfeind Volker Plauschenat ist einer der Abgeordneten. Vor ein paar Jahren hatte Friederike die Geschichte „Der Facebook-Mörder“ erfunden und findet sie nun auf YouTube, als Urheber ist Plauschenat angegeben. Die Operation Plauschenat entsteht in Friederikes Kopf und die politische Vernichtung ihres Erzfeindes ist geboren. Doch irgendwie kommt dann alles anders als Friederike denkt.



Die alleinerziehende Mutter nutzt ab sofort jeder freie Sekunde, um in Plauschenats Vergangenheit ein dunkles Geheimnis zu entdecken, das seine politische Karriere zu Fall bringt. Da schreckt Friederike sogar nicht davor zurück, Mitglied der Piraten zu werden, um mögliche dunkle Machenschaften aufzudecken. Doch Friederike muss bald erkennen, dass unter den Mitgliedern nicht nur Nerds zu finden sind und ehe sie es sich versieht, lernt sie die Ideologie der Piraten zum Teil sogar schätzen und verliebt sich auch noch in einen dieser Freaks.

Auf äußerst erfrischende, spitzfindige Art und Weise wirft Robert Löhr mit seinem Roman einen interessanten Blick hinter die Kulissen der Politiklandschaft. Nach der ersten Euphorie der Piraten mit dem Sieg bei der Berliner Landtagswahl, holt die 15 Abgeordneten schon bald die Realität ein. Wurde anfangs noch  Zusammenhalt und Freundschaft großgeschrieben, lässt der Neidfaktor nicht lange auf sich warten, Machtgerangel gehört bald zur Tagesordnung. Und auch die Geschichte von Friederike verläuft vollkommen anders als man anfangs hätte vermuten können.

Und Robert Löhr zeigt auch, dass das Hauptanliegen der Piraten, vollständige Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und Politik, sich auch als Bumerang erweisen kann. Die Piratenpartei streamt ihre Sitzungen live im Netz, Facebook und Twitter sind Standard, das neueste Iphone ein absolutes Muss. Jede noch so kleine Gefühlsregung muss getwittert werden, man ist 24-Stunden erreichbar, vertrauliche Gespräche kann man ein paar Minuten später auf Facebook nachlesen: Herzlich Willkommen Gläserner Mensch. Und dass man mit einem Shitstorm problemlos einen Menschen vernichten kann, dass nimmt man halt  billigend in Kauf.

So ist „Erika Mustermann“ nicht nur ein herrlich lockerer und witziges Roman, der bestens unterhält und einen oftmals schmunzeln lässt, sondern liefert auch einen wunderbarer Blick hinter die Kulissen der Politik, den unterschiedlichen Parteigefügen und zeigt auch auf, wie sehr man heute schon vom Internet bzw. den sozialen Netzwerken abhängig ist und viele ihre Privatleben ganz unbedarft öffentlich ins Netz stellen. Der Schreibstil von Robert Löhr ist auch entsprechend der Internetsprache geprägt und so sind auch einige Tweets aufgeführt wie auch Einträge von Wikipedia.

Und auch seine Protagonisten sind wunderbar gezeichnet, agieren absolut überzeugend und lebendig und gerade die temperamentvolle Lehrerin Friederike ist in ihrer ehrlichen, herzlichen und offensiven Art sehr sympathisch beschrieben.

Fazit: Ein äußerst unterhaltsamer wie auch interessanter Blick hinter die Kulissen der Piratenpartei, fundiert recherchiert und bestens geeignet als Lektüre für das Wahljahr 2013.
 

Der Autor:
Robert Löhr, geboren 1973, ausgebildeter Journalist und Drehbuchautor, lebt in seiner Geburtsstadt Berlin. Neben zahlreichen Filmskripten und Theaterstücken verfasste er die Romane »Der Schachautomat«, »Das Erlkönig-Manöver« , »Das Hamlet-Komplott«, »Krieg der Sänger« und »Erika Mustermann«. Seine Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt.

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