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Freitag, 22. März 2013

{Rezension} Das Turmzimmer von Leonora Christina Skov

Cover & Verlag: btb
Übersetzer: Hanne Hammer
Taschenbuchausgabe: 448 Seiten
Genre: Roman / Dänemark
ISBN: 978-3-442-74475-6
Erscheinungsdatum: 11. März 2013
Preis: 9,99 €



Das Geheimnis um Nellas Familie

Stell Dir vor, Du sitzt gemütlich vor dem Kaminfeuer in einem alten herrschaftlichen Anwesen, irgendwo im dänischen Südseeland. Es ist ein kalter Novembertag, der Wind pfeift klagend um das einst so eindrucksvolle Haus und es ächzt und knarrt unentwegt. Dir gegenüber sitzen zwei Frauen und erzählen Dir ihre Lebensgeschichte, welche voller schrecklicher Erlebnisse und Erinnerungen ist, in denen Geister vorkommen, alte Familiengeheimnisse gelüftet werden und es eine rätselhafte Geschichte um ein geheimnisvolles Turmzimmer gibt.

Genau diese düstere, beklemmende und stellenweise auch gruselige Stimmung verursacht der Roman „Das Turmzimmer“, den man als Buch in Buch beschreiben kann. Die Geschichte spielt in Dänemark und umfasst einen Zeitraum von Ende des 19. Jahrhunderts bis kurz nach dem 2. Weltkrieg.



Nella von Liljenholm hatte ihre gesamte Kindheit auf Liljenholm in Südseeland verbracht mit einer Mutter, die sie kaum beachtete, kaltherzig war, nur demütigende Kommentare für sie übrig hatte und selbst vor Gewalttätigkeiten nicht zurückgeschreckte. Als erfolgreiche Autorin hatte Antonia von Liljenholm nur das Schreiben ihres nächsten Buches im Sinn. Nellas Kindheit bestand nur aus Angst, Einsamkeit und den mal flüsternden, mal tobenden geisterhaften Stimmen aus dem Turmzimmer. Nellas einzige Bezugsperson war die alte Haushälterin Laurits, die das schreckliche Familiengeheimnis kannte und vor Nella zu verbergen versuchte.

Nun kehrt Nella als junge Frau Anfang der 1940er Jahre zusammen mit ihrer Freundin Agnes nach Liljenholm  zurück und entdeckt hierbei durch Zufall die Tagebücher der verstorbenen Haushälterin Laurits, die fast ihr ganzes Leben auf dem Anwesen verbrachte.  Diese beinhalten pikante und schreckliche Geheimnisse der Bewohner von Liljenholm. Doch auch Agnes selbst hat einiges vor Nella zu verbergen, was diese erst im Verlauf des Aufenthalts auf dem Anwesen erfahren soll.


Leonora Christina Skov hat für ihren Roman einen ungewohnten, deswegen aber nicht minder bildhaften, fesselnden Schreibstil gewählt. Die Autorin lässt zumeist Agnes die Geschichte um das Turmzimmer selbst erzählen, wobei Agnes hierbei einem immer wieder persönlich anspricht. Zum einem berichtet sie über die Geschichte zur Entstehung des Buches „Das Turmzimmer“ und zum anderen erzählt sie den Roman „Das Turmzimmer“ selbst. Hört sich ein wenig kompliziert an, ist es aber überhaupt nicht und man findet sich in der Geschichte sehr schnell zurecht.

Problemlos gelingt es der Autorin, einem die Atmosphäre von Liljenholm näher zu bringen. Dieses düstere, abweisende Gemäuer, das zu leben scheint, seine Gespenster hütet und so viele schreckliche Geheimnisse vor der Außenwelt verbirgt. Es ist kaum vorstellbar, wie ein kleines Mädchen ganz ohne Spielgefährten in dieser Gefühlskälte aufwachsen konnte. Doch Nella entwickelt sich zu einer selbstbewussten jungen Frau, der eine angeborene Autorität anhaftet und nachdem sie sich endlich damit abgefunden hat, das Familiengeheimnis zu lüften, auch diesen Weg konsequent verfolgt.

In Agnes täuscht man sich anfangs ein wenig. Als Freundin von Nella wirkt sie zuerst wie eine leicht verschrobene ältere Jungfer, doch dem ist bei weitem nicht so und Agnes legt bereits früh erste Hinweise aus, die einem schnell seine Meinung über sie revidieren lassen. Neben den beiden Hauptakteurinnen sind auch alle weiteren Charaktere facettenreich und detailliert gezeichnet und nehmen fast augenblicklich Konturen an.

Stellenweise entwickelt sich die Geschichte etwas verwirrend, da Agnes – die zumeist die Erzählerin des Buches ist – gern einmal ein wenig bei einigen Ereignissen vorgreift, hierbei oft aber nur Andeutungen macht und erst später wieder darauf zurückkommt. Wirkt manchmal etwas unstrukturiert, unterstützt aber den Eindruck, dass Agnes einem gegenüber sitzt und einem die Geschichte erzählt. Diese sind aber immer sehr geschickt gelegt und steigern eigentlich nur noch zusätzlich die Spannung und die Neugier bei diesem durchweg sehr fesselnden Roman, den Leonora Christina Skov warmherzig und einnehmend vermittelt.  

Nur ab und an waren mir die Erzählungen der Ereignisse von Agnes dann doch etwas zu ausschweifend und haben anstatt meine Neugier zu steigern, mich eher etwas gelangweilt. Aber dies ist wirklich nur ein kleines Manko dieser hervorragend erzählten Geschichte, die je länger sie dauert, immer mehr Fragen aufwirft und Rätsel aufgibt und bis zur letzten Seite mit neuen, absolut nicht voraussehbaren Wendungen zu überraschen versteht und eine Lösung der Familiengeheimnisse präsentiert, welche absolut schlüssig präsentiert wird.

Fazit: Ein wunderbar geschriebener, atmosphärisch dicht umgesetzter Roman, der bis auf einige kleine Längen durchweg fesselnd und spannend ein schreckliches Familiengeheimnis erzählt.


Die Autorin (Quelle: Verlagsseite):
Leonora Christina Skov, geboren 1976, ist in ihrer Heimat Dänemark für ihre sarkastische Literaturkritik und ihre bissige Kolumne in der Wochenzeitung Weekendavise bekannt. Für ihre Romane wurde sie von der dänischen Kritik gefeiert.

1 Kommentar:

  1. Wirklich interessant wie unterschiedlich uns das Buch gefallen hat ;) Danke, dass du mich auf deine Rezension aufmerksam gemacht hast!

    LG,
    Wonder_

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