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Donnerstag, 13. Dezember 2012

{Rezension} Ziemlich beste Freunde von Philippe Pozzo di Borgo

Verlag: Hanser Verlag
Übersetzer: Dorit Gesa Engelhardt, Marlies Ruß, Bettina Bach
Genre: Biographie
Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
ISBN: 978-3-446-24044-5
Erscheinungsdatum: 16.03.2012
Preis: 14,90 €






Der gefallene Engel und sein Schutzteufel

Philippe Pozzo di Borgo ist privilegiert. Er wächst in sehr wohlhabenden Verhältnissen auf, lernt schon als Kind durch den Beruf des Vaters viele verschiedene Kulturen und Länder kennen. Mit 20 Jahren lernt der Biograph seine große Liebe Beatrice kennen, sie heiraten und schon kurz darauf wird seine Frau das erste Mal schwanger. Doch der Kinderwunsch soll ihnen nicht erfüllt werden, Beatrice muss mehrere Fehl- und Totgeburten erleben. Ihre Liebe verzweifelt daran jedoch nicht und wenige Jahre später entschließen sie sich zur Adoption zweier Kinder aus Bogota. Philippe Pozzo die Borgo ist mittlerweile Geschäftsführer der Fa. Champagnes Pommery und ihr Leben könnte nicht glücklicher sein. Doch Beatrice erkrankt an einer seltenen Blutkrankheit und dann stürzt der Autor mit 42 Jahren mit dem Gleitschirm ab. Vom den Schultern ab ist er ab diesem Zeitpunkt gelähmt, auf Intensivpflege angewiesen.



In stellenweise sehr kurzen Passagen erzählt Philippe Pozzo di Borgo Passagen aus seiner Kindheit und Jugend. Hierdurch bekommt man eine sehr gute Vorstellung von seinem Leben als Sohn einer alteingesessenen adligen Familie, die ihren Stammsitz auf Korsika hat. Doch zwischendurch wechselt er immer wieder in die Gegenwart, in sein zweites Leben. Sehr sachlich geht er hierbei mit den Problemen um, die zwangsläufig durch seine Behinderung auftreten, sei es die intensive hygienische und medizinische Pflege, aber auch über seine quälenden Phantomschmerzen spricht er in seinem Buch.

Hierbei geht der Autor mit seiner Lähmung sehr pragmatisch und rech emotionslos um. Mitleid will er hiermit eindeutig nicht erzeugen und man fängt schon bald an, Philippe Pozzo di Borgo ob seiner inneren Kraft zu bewundern, solche Leiden durchzustehen und doch immer wieder den Mut zum Weiterleben zu finden.

Die Stimmung des Buches ist oft sehr melancholisch, traurig, dann wieder voll Zynismus, Lebenslust, aber auch Lebensfrust, dem Wunsch zu sterben und doch wieder die Kraft zu finden, weiterzuleben. Denn als wäre die Querschnittslähmung von Philippe Pozzo die Borgo nicht schon schlimm genug, erkrankt seine große Liebe Beatrice an Krebs. Zwar findet seine Frau noch einmal Kraft, um die lange Rehazeit mit ihrem Mann durchzustehen, doch schon bald holt die Krankheit sie wieder ein. In dieser Zeit ist ihm Abdel eine große Stütze.

Der Ex-Sträfling ist das genaue Gegenteil von dem adligen Geschäftsmann. Dickköpfig, stur, total von sich überzeugt, keine Frau ist vor ihm sicher und auch vor Gewalt scheut Abdel nicht zurück. Doch sein Schutzteufel ist auch äußerst hilfsbereit, selbstlos, immer für seinen Patienten da, rettet ihm mehr als einmal das Leben, heitert ihn immer wieder auf, ist immer da, wenn der Autor in braucht.

Aber leider täuscht der Einband des Buches wie auch die Kurzbeschreibung über den Inhalt des Buches. Die Freundschaft zwischen Philippe Pozzo di Borgo  findet erst richtig im letzten Drittel des Buches Erwähnung. Zwischendurch wird Abdel nur ab und an mal erwähnt, ist eher eine Randfigur, denn in der Hauptsache dreht sich die Biographie um das Leben von Philippe und Beatrice, ihre Liebe, ihre Krankheit und ihr Leiden.

Es ist ein sehr emotionales Buch. Philippe Pozzo di Borgo versteht es sehr gut, einem das Leben eines Querschnittgelähmten näher zu bringen mit all seinen Schwierigkeiten, welche Auswirkungen eine solches Lähmung auf den Körper hat, wie die Wahrnehmung der Sinne sich verändern, ja, das ganze Leben plötzlich völlig neue, andere Schwerpunkte erhält. Dies vermittelt der Autor gekonnt, doch ab und an hat mich die stellenweise etwas abgehackte Erzählweise gestört, da Geschehnisse oft nur in kurzen Absätzen Erwähnung finden und der Autor dann das Thema wechselt.

Fazit: Kurzbeschreibung und Buchcover vermitteln einen falschen Eindruck über den Inhalt des Buches. Im Vordergrund steht klar das Leben von Philippe und Beatrice. Die ziemlich besten Freunde Abdel und Philippe finden erst im letzten Drittel genügend Aufmerksamkeit.

Der Autor:
Philippe Pozzo di Borgo, Jahrgang 1951, war jahrelang Geschäftsführer der Firma Champagnes Pommery. Seit 1993 ist er infolge eines schweren Gleitschirmunfalls querschnittsgelähmt. Seine in Frankreich 2001 unter dem Titel Le second souffle erschienene Autobiographie wurde 2011 als Ziemlich beste Freunde von Olivier Nakache und Éric Toledano verfilmt. Philippe Pozzo di Borgo lebt mit seiner zweiten Frau und zwei Töchtern in Marokko.

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