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Montag, 16. April 2012

{Rezension} Mord unter den Linden von Tim Pieper





Verlag: emons-Verlag
Taschenbuchausgabe: 288 Seiten
ISBN: 978-3-89705-914-6
Genre: Historischer Krimi
Erscheinungsdatum: 08. März 2012
Preis: 11,90 €




Kreuzigungen in Berlin

Ein grausamer Mord erschüttert Berlin im Sommer 1890. Eine Frau wurde gekreuzigt und dann verbrannt. Commissarius Funke ist mit den Ermittlungen betraut und erhält tatkräftige Unterstützung von Dr. Otto Sanftleben, der die Körpersprache von Kriminellen erforscht.  Einen entscheidenden Hinweis erhalten die Beiden von der jungen Schauspielerin Friederike Dürr, die in Otto Gefühle weckt, die er lange verdrängt hatte. Dann passiert ein weiterer Mord und zu spät muss Otto feststellen, dass er selbst in den Focus des Mörders geraten ist.

Ein Kerker, ein Mann mit Ketten an die Wand gefesselt, eine schwer misshandelte Frau betritt humpelnd das Verlies, in ihrer Hand ein Folterwerkzeug. So düster, rätselhaft und spannend gestaltet sich der Prolog des historischen Krimis von Tim Pieper, um danach in die eigentliche Geschichte einzusteigen, welche rund 20 Jahre später in Berlin spielt.

Diese beginnt mit einem Vortrag, den Dr. Otto Sanftleben in einem elitären Club in Berlin zu seinem neuesten Buch hält. Hier trifft er auch den Kommerzienrat Karl Vitell. Der erfolgreiche Geschäftsmann bittet Otto, Commissarius Funke bei den Ermittlungen im Mordfall um die gekreuzigte Handschuhnäherin zu unterstützen. Bei seinem kriminalistischen Spürsinn und Ehrgeiz gepackt, sagt Otto nur zu gern zu, zumal er auch genau weiß, dass dies für Kriminaldirigenten von Grabow ein Dorn im Auge ist. Denn Otto ist begeisterter Radfahrer und widersetzt sich regelmäßig dem Fahrradverbot in der Innenstadt. Dies hat ihm nicht nur eine Menge Strafzettel eingebracht, sondern auch von Grabow zum Feind gemacht.

Tim Pieper nimmt sich anfangs etwas Zeit, einem das Leben in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts näher zu bringen und so dauert es auch nicht lange bis man dank seinem bildgewaltigen, einnehmenden Sprachstil die Flaniermeile Unter den Linden mit seinen Landauer und Droschken, Gaslichtern,  eleganten Damen und fein gekleideten Herrn vor Augen hat. Aber auch die andere Seite von Berlin zeigt er einem, wo Wäscherinnen in stinkenden Hinterhöfen leben, Prostituierte mühsam versuchen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Arbeiter oftmals von der Hand in den Mund leben. Zusätzlich erfährt man viel über die politisch angespannte Lage im Kaiserreich, lernt Menschen unterschiedlichster Herkunft kennen und selbst Kaiser Wilhelm II. findet kurz Erwähnung. Diese Details und Informationen lässt der Autor immer wieder in seinen Krimi wie nebenbei  mit einfließen und so wirkt der Krimi atmosphärisch sehr dicht umgesetzt und zeigt, dass sich Tim Pieper intensiv mit den geschichtlichen Hintergründen befasst hat.

Die reine Krimihandlung beginnt nach dem düsteren Prolog etwas langsam, jedoch durchweg interessant und unterhaltsam. Kontinuierlich baut Tim Pieper seine Story auf, die sich äußerst komplex entwickelt und stetig an Dramatik zunimmt. Weiter Morde geschehen, politische Attentate werden verübt und immer wieder wechselt der Autor die Handlungsstränge. So dauert es auch nicht lange bis er einem den Mörder mit seinem krankhaften Verhalten präsentiert, doch um wen es sich handelt oder gar, warum er diese Morde begeht, bleibt einem bis zum Schluss ein Rätsel. So gestaltet sich der Krimi nicht nur fesselnd und im Laufe der Story immer spannender, sondern man rätselt selbst gebannt bis zum Schluss mit und die Auflösung ist wirklich gelungen und überzeugend.

Das Hauptaugenmerk liegt bei den Ermittlungen von Otto wie auch auf dessen Privatleben, was im Verlauf immer mehr ineinanderfließt, je mehr Otto in die Mordermittlung einsteigt. Dabei bedient er sich natürlich hauptsächlich seinem Fachwissen als Kriminologe, allerdings handelt er oftmals auch ziemlich impulsiv, was aber auch zu seiner Mentalität passt. Der begeisterte Fahrradfahrer, der sogar an den Deutschen Meisterschaften in München teilnimmt, lebt zusammen mit seinem Leibdiener Moses, einem farbigen 17-jährigen jungen Mann, in der Familienvilla „Klein Sanssouci“ im Grünen. Otto hatte den Waisenjungen einige Jahre zuvor von einer seiner Reisen aus Südwest-Afrika mitgebracht. Untypisch für die damalige Zeit duzen die Beiden sich und Moses ist in seinem Verhalten Otto gegenüber oftmals ziemlich frech und fast schon respektlos, was regelmäßig bei ihren Wortgefechten für einige Schmunzler sorgt.

Fazit: Wer Krimis mag, die sich nicht nur auf die reine Mordermittlung konzentrieren, sondern dem Protagonisten wie auch seinem Umfeld und den geschichtlichen Hintergründen genug Platz einräumt und eine vielschichtige, spannende Story erwartet mit Charakteren, die äußerst ausgefeilt und authentisch beschrieben sind, wird von Tim Piepers „Mord unter den Linden“ begeistert sein.

Der Autor:
Tim Pieper, geboren 1970 in Stade, studierte nach einer Weltreise Neuere und Ältere deutsche Literatur und Recht. Seit 1998 lebt er in seiner Wahlheimat Berlin und nutzt jede Gelegenheit, um die spannende und abwechslungsreiche Geschichte der Stadt zu erkunden. Zuletzt veröffentlichte er einen Mittelalterroman. »Mord unter den Linden« ist sein erster historischer Krimi im Emons Verlag.

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