Verlag: emons-Verlag
Taschenbuchausgabe: 288 Seiten
ISBN: 978-3-89705-914-6
Genre: Historischer Krimi
Erscheinungsdatum: 08. März 2012
Preis: 11,90 €
Kreuzigungen in Berlin
Ein grausamer Mord erschüttert Berlin im Sommer 1890. Eine Frau wurde
gekreuzigt und dann verbrannt. Commissarius Funke ist mit den Ermittlungen betraut
und erhält tatkräftige Unterstützung von Dr. Otto Sanftleben, der die
Körpersprache von Kriminellen erforscht. Einen entscheidenden Hinweis erhalten die
Beiden von der jungen Schauspielerin Friederike Dürr, die in Otto Gefühle weckt,
die er lange verdrängt hatte. Dann passiert ein weiterer Mord und zu spät muss
Otto feststellen, dass er selbst in den Focus des Mörders geraten ist.
Ein Kerker, ein Mann mit Ketten an die Wand gefesselt, eine schwer
misshandelte Frau betritt humpelnd das Verlies, in ihrer Hand ein
Folterwerkzeug. So düster, rätselhaft und spannend gestaltet sich der Prolog
des historischen Krimis von Tim Pieper, um danach in die eigentliche Geschichte
einzusteigen, welche rund 20 Jahre später in Berlin spielt.
Diese beginnt mit einem Vortrag, den Dr. Otto Sanftleben in einem elitären
Club in Berlin zu seinem neuesten Buch hält. Hier trifft er auch den
Kommerzienrat Karl Vitell. Der erfolgreiche Geschäftsmann bittet Otto,
Commissarius Funke bei den Ermittlungen im Mordfall um die gekreuzigte
Handschuhnäherin zu unterstützen. Bei seinem kriminalistischen Spürsinn und
Ehrgeiz gepackt, sagt Otto nur zu gern zu, zumal er auch genau weiß, dass dies
für Kriminaldirigenten von Grabow ein Dorn im Auge ist. Denn Otto ist
begeisterter Radfahrer und widersetzt sich regelmäßig dem Fahrradverbot in der
Innenstadt. Dies hat ihm nicht nur eine Menge Strafzettel eingebracht, sondern auch
von Grabow zum Feind gemacht.
Tim Pieper nimmt sich anfangs etwas Zeit, einem das Leben in Berlin Ende
des 19. Jahrhunderts näher zu bringen und so dauert es auch nicht lange bis man
dank seinem bildgewaltigen, einnehmenden Sprachstil die Flaniermeile Unter den
Linden mit seinen Landauer und Droschken, Gaslichtern, eleganten Damen und fein gekleideten Herrn vor
Augen hat. Aber auch die andere Seite von Berlin zeigt er einem, wo
Wäscherinnen in stinkenden Hinterhöfen leben, Prostituierte mühsam versuchen,
sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Arbeiter oftmals von der Hand in
den Mund leben. Zusätzlich erfährt man viel über die politisch angespannte Lage
im Kaiserreich, lernt Menschen unterschiedlichster Herkunft kennen und selbst Kaiser
Wilhelm II. findet kurz Erwähnung. Diese Details und Informationen lässt der
Autor immer wieder in seinen Krimi wie nebenbei mit einfließen und so wirkt der Krimi atmosphärisch
sehr dicht umgesetzt und zeigt, dass sich Tim Pieper intensiv mit den
geschichtlichen Hintergründen befasst hat.
Die reine Krimihandlung beginnt nach dem düsteren Prolog etwas langsam,
jedoch durchweg interessant und unterhaltsam. Kontinuierlich baut Tim Pieper
seine Story auf, die sich äußerst komplex entwickelt und stetig an Dramatik
zunimmt. Weiter Morde geschehen, politische Attentate werden verübt und immer
wieder wechselt der Autor die Handlungsstränge. So dauert es auch nicht lange
bis er einem den Mörder mit seinem krankhaften Verhalten präsentiert, doch um
wen es sich handelt oder gar, warum er diese Morde begeht, bleibt einem bis zum
Schluss ein Rätsel. So gestaltet sich der Krimi nicht nur fesselnd und im Laufe
der Story immer spannender, sondern man rätselt selbst gebannt bis zum Schluss
mit und die Auflösung ist wirklich gelungen und überzeugend.
Das Hauptaugenmerk liegt bei den Ermittlungen von Otto wie auch auf dessen
Privatleben, was im Verlauf immer mehr ineinanderfließt, je mehr Otto in die
Mordermittlung einsteigt. Dabei bedient er sich natürlich hauptsächlich seinem
Fachwissen als Kriminologe, allerdings handelt er oftmals auch ziemlich
impulsiv, was aber auch zu seiner Mentalität passt. Der begeisterte Fahrradfahrer,
der sogar an den Deutschen Meisterschaften in München teilnimmt, lebt zusammen
mit seinem Leibdiener Moses, einem farbigen 17-jährigen jungen Mann, in der
Familienvilla „Klein Sanssouci“ im Grünen. Otto hatte den Waisenjungen einige
Jahre zuvor von einer seiner Reisen aus Südwest-Afrika mitgebracht. Untypisch
für die damalige Zeit duzen die Beiden sich und Moses ist in seinem Verhalten
Otto gegenüber oftmals ziemlich frech und fast schon respektlos, was regelmäßig
bei ihren Wortgefechten für einige Schmunzler sorgt.
Fazit: Wer Krimis mag, die sich nicht nur auf die reine Mordermittlung
konzentrieren, sondern dem Protagonisten wie auch seinem Umfeld und den geschichtlichen
Hintergründen genug Platz einräumt und eine vielschichtige, spannende Story erwartet
mit Charakteren, die äußerst ausgefeilt und authentisch beschrieben sind, wird
von Tim Piepers „Mord unter den Linden“ begeistert sein.
Der Autor:
Tim Pieper, geboren 1970 in Stade, studierte nach einer Weltreise Neuere
und Ältere deutsche Literatur und Recht. Seit 1998 lebt er in seiner
Wahlheimat Berlin und nutzt jede Gelegenheit, um die spannende und
abwechslungsreiche Geschichte der Stadt zu erkunden. Zuletzt
veröffentlichte er einen Mittelalterroman. »Mord unter den Linden« ist
sein erster historischer Krimi im Emons Verlag.
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