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Sonntag, 14. November 2010

{Rezension} Der Professor von John Katzenbach

Übersetzer: Anke und Eberhard Kreutzer
Gebundene Ausgabe: 555 Seiten
Genre: Amerikanischer Psychothriller
ISBN: 342619824X
Erscheinungsdatum: 28. Oktober 2010
Preis: 19,99 €



Adrian und seine Toten

Professor Adrian Thomas traut dem nicht, was er gesehen hat. Vor seinen Augen wird in einer kleinen Universitätsstadt in Neuengland ein junges Mädchen in einen weißen Lieferwagen gezerrt. Doch hat er dies wirklich gesehen oder entspringt dies seiner Fantasie? Denn Adrian leidet unter einer schnell fortschreitenden Form von Demenz, die oft auch Fantasievorstellungen auslöst. Als er jedoch an der vermeintlichen Entführungsstelle ein rosa Basecap mit dem Namen Jennifer findet, ist er von der Entführung überzeugt. Augenblicklich erscheinen ihm in seiner Fantasiewelt seine verstorbenen Toten: seine Frau Cassie, sein Bruder Brian und sein Sohn Tommy. Alle Drei unterstützen ihn abwechselnd bei der Suche, die sich für ihn immer schwieriger gestaltet, da seine Krankheit unweigerlich immer mehr von ihm Besitz ergreift und die mit dem Fall betraute Polizistin Terri diesem etwas verwunderlich auftretenden Mann nicht so recht glauben mag.

Zwar überzeugen Terri die Äußerungen des alten Professors schon nach einiger Zeit, denn alle Spuren auf der Suche nach Jennifer verlaufen im Sande und was anfangs wie ein weiterer Ausreißversuch der Jugendlichen aussah, entpuppt sich nach und nach doch zu dem Entführungsfall, den Adrian ihr beschrieben hat. Doch ihr fällt es schwer, das seltsame Verhalten des Professors einzuschätzen und sein psychologisches Wissen richtig für den Fall einzusetzen. So macht sich Adrian allein auf die Suche nach Jennifer, deren Spur er in den Tiefen des Internets vermutet.

Und er liegt mit seiner Vermutung richtig, denn Jennifer ist dem Pärchen Linda und Michael in die Hände gefallen, die auf ihrer Internetseite whatcomesnext.com die perfiden Wünsche ihrer Kunden befriedigen. Immer wieder denken sie sich neue seelische und auch körperliche Grausamkeiten für Jennifer aus, um ihre Kundschaft bei Laune zu halten und natürlich auch, um sie zum Zahlen zu animieren.

Von Anfang an wechselt John Katzenbach ständig die Erzählstränge und so lernt man nach und nach seine einzelnen Hauptakteure kennen. Im Vordergrund stehen zum einen der pensionierte Professor Adrian Thomas und die Jugendliche Jennifer. Adrian muss sich nach einem Arztbesuch seinen schlimmsten Befürchtungen stellen, dass er an Demenz leidet. Für ihn ist die Vorstellung, schon in kurzer Zeit nur noch dahin zu vegetieren, unvorstellbar und so hat er nur noch ein Ziel: seinem Leben ein Ende zu setzen mit seinem Freund Mr. Ruger. Dann kommt ihm jedoch die Entführung von Jennifer dazwischen. In seiner Fantasiewelt unterstützen ihn Tommy, Cassie und Brian, nicht in die Welt des Vergessens abzutauchen und durch die "Besuche" der Toten erfährt man nach und nach auch ein wenig mehr über das Leben von Adrian kennen. Diese Dialoge mit den Toten sind stellenweise sehr anrührend und gefühlvoll beschrieben und absolut glaubwürdig wiedergegeben. Zwar hat dieses Abdriften in die Geisterwelt zum Teil auch stellenweise nichts mit der Story an sich zu tun, passen meiner Meinung nach aber hervorragend in die Geschichte und zu Adrian und sind nie langatmig.

Zum anderen ist man immer eng an dem Geschehen rund um Jennifer in ihrem Verlies dabei. John Katzenbach beschreibt die 16-jährige als eine durch und durch mutige, intelligente Jugendliche, der es gelingt, eine gewisse Distanz zwischen ihrem eigentlichen Ich und den Geschehnissen um sich herum zu schaffen. Einzig durch diese Trennung zwischen Nr. 4, wie die Entführer sie bezeichnen und ihrem eigenen Ich gelingt es ihr, das Martyrium durchzuhalten. Allerdings ist man sich während dieser Szenen nie sicher, wie lange Jennifer dies noch gelingt. Der Autor beschreibt diesen Erzählstrang sehr ergreifend, einfühlsam, beklemmend und absolut nachvollziehbar.

Und auch wenn man von Anfang an die Entführer kennt und über das Schicksal von Jennifer ständig informiert ist, gelingt es John Katzenbach eine Spannung aufzubauen, die sich über den gesamten Psychothriller problemlos hält. Möglich ist dies einmal durch die ständig wechselnden Handlungsstränge, so ist man immer über die Ermittlungen der Polizistin Terri informiert, erhält einen kleinen Einblick in die kranke Welt der Kunden von whatcomesnext.com wie auch in die Gedankenwelt des überaus cleveren, gefühlskalten und intelligenten Entführerpaares.

Zum Anderen treibt einen die Neugier um Adrian und Jennifer an. Wird Adrian bis zum Schluss durchhalten und Jennifer finden oder besiegt ihn die Krankheit doch vorher noch? Wie kommt er der Entführten auf die Spur und wird Jennifer durchhalten oder wird sie der Folter unterliegen oder aber wird das Entführerpaar und deren Kundschaft ihrer vorher überdrüssig und sie wird ermordet? Geschickt spielt John Katzenbach hier ständig mit der Fantasie seiner Lesern, überrascht immer wieder durch unvorhersehbare Wendungen und wenn man sich auch denken kann, wie der Thriller ausgehen könnte, ist man sich dessen nie ganz sicher.

Somit ist dem Autor wirklich ein Psychothriller der Spitzenklasse gelungen, was dadurch noch verstärkt wird, dass alle Charaktere hervorragend herausgearbeitet sind und die Story bis auf ein paar kleine logische Ungereimtheiten, absolut schlüssig umgesetzt ist.

Fazit: Ein Psychothriller der Spitzenklasse, der ohne aufwendige und reißerische Szenen daherkommt und eine eher unterschwellige, dafür aber extreme Spannung aufbaut und diese bis zum Schluss hält.

2 Kommentare:

  1. Hallo!

    Ich hab schon zwei Thriller von Katzenbach gelesen, "Der Patient" und "Die Anstalt", aber das Ende war sowas von aufgesetzt und unglaubwürdig, dass es die ganzen 600 vohergehenden Seiten im Nachhinein versaut hat.

    Wie schauts da mit dem Ende aus? Passt es zur Geschichte oder ist es auch so... *räusper* mies?

    LG Cara

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  2. Hallo Cara,
    das Ende passt und ich hatte es eigentlich auch so erwartet bzw. erhofft. Klar, gibt es einige kleine Ungereimtheiten, aber über die konnte ich hinwegsehen, da die Story an sich einfach richtig klasse ist.
    LG Isabel

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