Startseite

Montag, 15. November 2010

{Rezension} 3096 Tage von Natascha Kampusch

Verlag: List Verlag
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Genre: Biografie 
ISBN: 3471350403
Erscheinungsdatum: 08. September 2010
Preis: 19,95 €



Ich bin frei!

Dies ist der letzte Satz der Biografie von Natascha Kampusch. Und ich hatte den Eindruck, dass sie dies nun wirklich so empfindet. Frei von ihrem Peiniger und auch frei von dem ganzen Medienrummel. Frei von dem Interesse der Menschen an ihr, aber auch von dem Neid und stellenweise sogar Hass, der ihr nach ihrer Freilassung entgegenschlug. Auch wenn sie offensichtlich einen Ghostwriter hatte, der ihr bei dem Buch geholfen bzw. dies geschrieben hat, wirken ihre Aussagen sehr authentisch.

Wie wahrscheinlich fast jeder habe auch ich damals die Befreiung von Natascha Kampusch verfolgt. Auch für mich war das Martyrium, welchem die junge Frau ausgesetzt war, unvorstellbar und ich habe sie damals auch bewundert für ihren Mut, bereits nach so kurzer Zeit sich den Medien zu stellen und ihre Erlebnisse zu erzählen. Was ich dann nicht mehr so nachvollziehen konnte, war der Hype, den ihre Selbstbefreiung ausgelöst hat. Ihre Erlebnisse wurden von der Presse und den Medien dermaßen extrem hochgeschaukelt und immer mehr angebliche Details ans Licht gezerrt, dass ich mich nur noch kopfschüttelnd dem Ganzen abgewandt habe und mir gedacht und gewünscht habe, lasst diese mutige, junge Frau doch bitte endlich mal in Ruhe und sich wieder in ihrem Leben zurecht finden.

Denn dass sie mutig und stark ist, hat sie in den 3096 Tagen ihrer Gefangenschaft bewiesen. Ausgerechnet am ersten Tag, den sie alleine zur Schule gehen darf, wird sie von ihrem Peiniger entführt. Anfangs geht er noch teilweise auf ihre Wünsche ein, stellt ihr Bücher und Videos zur Verfügung, renoviert ihr Verlies. Doch er weiß auch ganz genau, wie wichtig Natascha diese Bücher und Filme sind und so entzieht er ihr auch oft genug – aus purer Willkür heraus – diese Dinge. Später, als Natascha bereits eine Jugendliche ist, wird Priklopil ihr gegenüber gewalttätig und dies extrem massiv. Stellenweise sind in der Biografie Tagebucheindrücke wiedergegeben, die nüchtern diese Misshandlungen aufzählen. Gerade diese Nüchternheit zeigt einen die ganze Grausamkeit.  Neben den Misshandlungen lässt der Täter seine Gefangene hungern. Auch wieder scheinbar willkürlich entzieht er ihr immer wieder das Essen bis Natascha kurz vor dem Hungertod steht.

Wahrscheinlich haben sich auch viele Menschen gefragt, warum Natascha nicht geflohen ist, schließlich hatte sie ja zum Schluss genug Möglichkeiten. Der Täter ist mir ihr sogar in den Baumarkt gefahren und zum Skifahren. Um dies richtig verstehen zu können, muss man die ganze Geschichte ihrer Gefangenschaft lesen, wie es Priklopil nach und nach gelungen ist, für Natascha zur Bezugsperson zu werden, ihr Angst vor der Welt draußen zu machen und auch eine Schlüsselszene während des Skifahrens war für Natascha ganz entscheidend, nicht an den Erfolg ihrer Flucht zu glauben. Das sie es dann doch gewagt hat: Bewundernswert!

Was mir an dem Buch ausgesprochen gut gefallen hat, ist, dass Natascha Kampusch zu keiner Zeit auf die Tränendrüse drückt. Sie will mit diesem Buch kein Mitleid, sie will einfach nur ihre Geschichte erzählen, wie sie wirklich war und nicht so, wie stellenweise die Medien sie geschaffen haben und sie zeigt auch die Fehler der Polizei bei den Ermittlungen auf. Wenn man bedenkt, dass die Polizei nach etwa 6 Wochen einen mehr als eindeutigen Hinweis auf Priklopil erhalten hatte und diesem nicht nachgegangen ist. Wäre dem nicht so gewesen, hätte Natascha Kampusch möglicherweise ihr grausames Schicksal erspart bleiben können.

2 Kommentare:

  1. Hallo,

    du bist aus Deutschland, oder?`

    In Österreich hat sich die Frau ziemlich unbeliebt gemacht. Sie hat den Medienhype selbst gepuscht, ganz offensichtlich, weil es ihr gefallen hat im Mittelpunkt zu stehen und hat Millionen damit gemacht.

    Kann schon sein, dass sie irgendwie nicht mitgekriegt hat wie das Leben draußen in der Welt so läuft - sie hat sich sicher nicht absichtlich unsympathisch dargestellt. Aber mit ihrer Mitleidsmasche ("Ich hab keine Freunde und die Menschen lehnen mich ab blabla") und damit, zu allem ihren Senf dazuzugeben (da war dann noch der Fall Fritzel, den sie als Chance gesehen hat, sich als Expertin aufzuspielen) ist sie nicht gut angekommen.

    Jetzt war sie mal länger nicht in der Zeitung, und prompt schreibt sie ein Buch, damit sie auch keiner vergisst und sie nochmal schnell ein paar Schlagzeilen machen kann.

    Die Frau ist süchtig nach medialer Aufmerksamkeit. Die schlachtet sich doch selber aus.

    LG

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Cara,

    ja, ich bin aus Deutschland und möglicherweise hast Du auch Recht mit Deinen Äußerungen, aber für mich gehören da auch zwei Seiten dazu. Ohne Angebot keine Nachfrage. Die Medien haben sich ne goldene Nase an ihr verdient, warum soll sie nicht auch einen Teil vom Kuchen davon abkriegen.

    Ich kann sie als Mensch wie sie heute ist, schlecht einschätzen, da ich mich diesem ganzen Medienrummel irgendwann entzogen habe, weil gerade die Boulevardpresse das Thema unheimlich gepuscht hat.

    Mir ging es jetzt auch mehr um das Buch und ihre Erlebnisse sind nun einmal wirklich erschütternd und für einen extrem schwer vorstellbar. Dass Natascha Kampusch es trotzdem geschafft hat, sich ihren Ängsten zu stellen und damit (offensichtlich scheinbar, keine Ahnung, wie es in ihr aussieht) fertig zu werden, ist für mich schon bewundernswert. Andere wären daran mit Sicherheit zerbrochen.

    Und man darf nicht vergessen, dass sie während einem Teil ihrer Kindheit und als Jugendliche in Gefangenschaft war und nur eine Bezugsperson hatte, der auch noch ein Psychopath war, woher soll sie da so etwas wie Menschenkenntnis lernen oder wie die Welt da draußen funktioniert. Möglicherweise hatte sie auch einfach die falschen Berater, die mit Sicherheit nur ihr Bestes wollten, nämlich mit ihrer Geschichte Geld machen und ihr ebenfalls diesen Eindruck vermittelt haben. Auch darf man nicht vergessen, dass sie immer noch recht jung ist und vielleicht irgendwann einmal feststellt: da habe ich ganz schönen Mist mit meinen Erlebnissen gebaut.

    Das Thema ist heikel, keine Frage und es gibt mit Sicherheit viele Ansichten und viele Meinungen dazu. Und sicher kriegen wir in Deutschland nicht so viel von ihr mit wie ihr in Österreich und stehen deshalb dem Ganzen auch etwas Toleranter gegenüber. Aber ich bin auch der Meinung, wenn das Interesse an ihr sich bei Euch total erschöpft hätte, hätte sie auch keine Plattform mehr, sich anscheinend immer wieder zu präsentieren, siehe hier auch der Fall Fritzel. Sie war ja regelrecht dazu prädestiniert, sich hierdurch wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen und die Medien hatten in Bezug auf Einschaltquoten (und somit Geld) auch mit Sicherheit großes Interesse an ihr.

    Liebe Grüße
    Isabel

    AntwortenLöschen