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Sonntag, 22. August 2010

{Rezension} Herbstvergessene von Anja Jonuleit

Verlag: dtv Verlag
Taschenbuch: 432 Seiten
Genre: Deutscher Roman/Krimi
ISBN: 3423247886
Erscheinungsdatum: 01. September 2010
Preis: 13,90 €




Ein Wiedersehen, das keines mehr wird

Nach über 10 Jahren meldet sich Lilli Sternberg bei ihrer Tochter Maja und bittet sie, nach Wien zu kommen, da sie ihr etwas Wichtiges erzählen müsste. Als Maja eine Woche später mehr wiederwillig  in Wien ankommt, muss sie jedoch erfahren, dass ihre krebskranke Mutter einen Tag vorher scheinbar Selbstmord begangen hat. Maja ist erschüttert. Denn obwohl sie nie ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hatte, kann sie sich mit dem Gedanken an Selbstmord nicht anfreunden. Zumal ist sie neugierig zu erfahren, was ihre Mutter ihr unbedingt erzählen wollte. So fängt Maja an, in der Vergangenheit von Lilli wie deren Mutter zu forschen und stößt dabei auf Ungereimtheiten. Immer mehr wächst in ihr der Verdacht, dass der Tod von Lilli kein Selbstmord war und ihre Großmutter ein dunkles Geheimnis gehütet hat.

Der zum Großteil aus Sicht von Maja erzählten Geschichte hängt zumeist ein Hauch von Herbstmelancholie an, wobei der Grund des Romantitels erst ganz zum Schluss offenbart wird. Die Autorin geht sehr auf die Gefühle ihrer Protagonistinnen ein und wechselt in ihrem Roman immer wieder die Erzählstränge, die zwischen Maja in der Gegenwart und der Geschichte ihrer Großmutter in 1940er Jahren wechselt. Allerdings kann man den Roman schwer einem bestimmten Genre zuordnen, denn bis gut zur Hälfte ist dies mehr ein Frauenroman und entwickelt sich im zweiten Teil zu einem äußerst rasant erzählten Krimi.

Der Geschichte aus der Vergangenheit liegt eine weitere dunkle Seite der Nationalsozialisten zugrunde. Anja Jonuleit behandelt recht ausführlich und informativ die SS-Organisation Lebensborn, der mehrere Mütter- und Entbindungsheime in Deutschland angehörten, so auch das Herrenhaus Hohehorst nahe Bremen, in dem ein Großteil der Geschichte von Majas Großmutter spielt.

Die Wechsel zwischen den Erzählsträngen sind gut gelegt und halten so meist die Spannung und Neugierde des Lesers auf einem hohen Niveau, da man nach und nach immer mehr vom Leben von Lillis Mutter erfährt und sehr bald feststellt, dass Maja hier einem düsteren Familiengeheimnis auf der Spur ist. Der sehr flüssige, emotionale und auch fesselende Schreibstil von Anja Jonuleit sorgt somit dafür, dass man sich bis zum Schluss wirklich gut unterhalten fühlt. Allerdings wirkt das rasante und spannende Ende etwas zu konstruiert, birgt zu viele Zufälle und kann somit nicht unbedingt als schlüssig bezeichnet werden.

Gut kann man die Gefühle von Maja nachvollziehen, ihre Wut, Trauer, Zorn, aber auch ihre Selbstvorwürfe und Neugier, und letzere zieht sie immer mehr in die Geschichte ihrer Mutter und Großmutter hinein. Hierbei stößt sie oft genug auf eine Wand von Lügen und Andeutungen und schon bald weiß weder Maja noch der Leser, wem zu trauen ist und wer ein falsches Spiel mit Maja spielt. Stellenweise wirken die Schilderungen der Gefühlswelt von Maja etwas überladen und stellenweise auch schwer nachvollziehbar, allerdings welcher trauernde Mensch, der vor allem einem dunklen Familiengeheimnis auf der Spur ist, reagiert unbedingt immer nachvollziehbar. Jedoch sind diese Beschreibungen zumeist unterhaltsam und nicht langatmig beschrieben, zumal immer wieder die Geschichte der Großmutter in den Vordergrund rückt und diese ein hohes Spannungspotential inne hat.

Fazit: Alles in allem erzählt Anja Jonuleit eine gefühlvolle, unterhaltsame und zum Schluss sogar richtig spannende Geschichte, die eine weitere dunkle, weniger bekannte Seite des Nationalsozialismus behandelt.


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