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Freitag, 24. April 2015

{Rezension} Die verbotene Zeit von Claire Winter

Cover & Verlag: Diana
Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
Genre: Historischer Roman
ISBN: 978-3-453-29168-3
Erscheinungsdatum: 14. April 2015
Preis: 19,99 €


Wie Schwestern
Im Sommer 1975 hat Carla Whiteman einen schweren Autounfall und die Erinnerungen an die Monate davor fehlen ihr völlig. Da sie spürt, dass ihr Ehemann Tom wie auch ihr Vater Paul ihr etwas verbergen und ihr die Gedächtnislücken keine Ruhe lassen, begibt Clara sich auf Spurensuche, die sie an die Küste Cornwalls wie auch nach West-Berlin führen. Ihre Suche führt sie zurück in die Vergangenheit, bei der Clara einem lange gehüteten Familiengeheimnis auf die Spur kommt. Im Jahr 1922 nimmt die Mutter der elfjährigen Dora eine Stelle als Hausmädchen im Hause eines reichen Papierfabrikanten an. Dora freundet sich mit der gleichaltrigen Tochter des Fabrikanten an und beide Mädchen werden schnell enge Freundinnen. Trotz aller Standesunterschiede überdauert ihre Freundschaft die Jahre hinweg. Beide genießen ihre Jugend in der schillernden Hauptstadt, doch schon bald prägen immer mehr die Einflüsse der Nationalsozialisten das Stadtbild. Noch vor Kriegsbeginn lernt Dora den ehemaligen Sportler Paul Behringer kennen und lieben. Kurz nach ihrer Hochzeit heiratet auch Edith die Adligen Maximilian von Stettenheim. Beide führen ein aufregendes Leben, doch ihr Glück findet Edith erst bei den Juden Jules Cohn, der im Widerstand aktiv ist. Ein lebensgefährliches Unterfangen so kurz vor Kriegsbeginn für das verliebte Paar.


Claire Winter erzählt ihren wundervollen, atmosphärisch dicht umgesetzten Roman zumeist aus Sicht von Clara und Dora. Hierdurch wechselt die Autorin regelmäßig zwischen den Zeiten und so verfolgt man zum einen die Recherchen von Clara wie auch das ereignisreiche Leben von Dora und Edith. Wobei der Handlungsstrang der Vergangenheit niemals vorgreift, sodass man immer auf demselben Wissensstand um das Schicksal von Edith wie Clara ist.
Gerade der Erzählstrang der Vergangenheit gestaltet sich sehr intensiv, bildhaft und absolut fesselnd. Dora und Edith wachsen wie Schwestern auf. Ediths Eltern sind sehr modern denkende, musische Menschen, die keine Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Schichten oder der Religiosität eines Menschen machen. In Ediths Elternhaus verkehren viele Juden und auch zu Ediths und Doras Freundeskreis zählen einige Menschen jüdischen Glaubens. Weder die bodenständige Dora noch die egozentrische, weltoffene Edith haben damit irgendwelche Probleme. Selbst als die Nazis immer mehr die Herrschaft übernehmen, stehen Beide zu ihren Freunden. Doch das Leben der jüdischen Bevölkerung wird in Berlin immer schwerer. Jules Cohn, einer der Freunde der jungen Frauen, verliert 1933 seine Anstellung im Berliner Orchester. Für den Violinist bricht damit eine Welt zusammen, doch anstelle sich seinem Schicksal zu fügen, geht der junge Mann in den Widerstand.
Beeindruckend eindringlich beschreibt Claire Winter die Willkür und die maßlose Gewalt, welcher die Berliner Bevölkerung und besonders die Juden durch das Nazi-Regime mehr und mehr ausgesetzt sind. Immer mehr regiert die Angst in der Hauptstadt. Und doch glauben noch viele Juden, dass es so schlimm nicht werden wird und bleiben trotz aller Schikanen, Enteignungen und Verhaftungen in der Hauptstadt, während viele andere bereits in den frühen 1930er Jahren ins Ausland emigrieren.
Aber auch der Erzählstrang der neueren Vergangenheit gestaltet sich sehr einnehmend und packend. Einfühlsam beschreibt Claire Winter die innere Zerrissenheit von Clara, die deutlich spürt, dass Tom wie auch ihr Vater etwas vor ihr zu verbergen versuchen. Zudem merkt sie deutlich, dass etwas in den Monaten, an welche sie sich nicht mehr erinnern kann, ihre Beziehung zu Tom stark beeinflusst haben muss. Und dann trifft sie den Journalisten David wieder, der ihr dabei hilft, die verlorenen Monate aufzuarbeiten, die eng mit dem rätselhaften Verschwinden von Edith von Stettenheim in Verbindung stehen.
Ihre Protagonistinnen Clara, Dora und Edith, die so vollkommen unterschiedliche Charaktere sind, beschreibt Claire Winter sehr lebendig und überzeugend. Über das Schicksal von Edith und somit dem Familiengeheimnis der Familie Behringer erfährt man nur peu a peu etwas, ist zumeist auf demselben Wissensstand wie Clara, doch stellenweise ahnt man bereits einige Geschehnisse im Vorfeld. Doch diese Ahnung nimmt keineswegs die Spannung aus diesem äußerst fesselnden, wendungsreichen Romans.

Fazit: Ein Familiengeheimnis, das bis weit in die Gegenwart seine Spuren hinterlässt – warmherzig, eindringlich und äußerst packend erzählt.


Die Autorin:
Claire Winter studierte Literaturwissenschaften und arbeitete einige Jahre als Journalistin, bevor sie entschied, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie liebt es, in fremde Welten einzutauchen, und hat schon immer eine Schwäche für die mystischen Landschaften Englands und Schottlands gehabt. Nach Die Schwestern von Sherwood ist Die verbotene Zeit ihr zweiter Roman im Diana Verlag. Die Autorin lebt heute in Berlin.  

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