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Freitag, 1. Juli 2011

{Rezension} Zeitbombe von Matthias P. Gibert

Verlag: Gmeiner Verlag
Taschenbuchausgabe: 367 Seiten
Genre: Deutscher Krimi
ISBN: 10-3839212022
Erscheinungsdatum: 11. Juli 2011
Preis: 11,90 €


Der Tunnel bringt den Tod

Als Paul Lenz und sein Partner Thilo Hain zu einem Selbstmord am Rengershausener Tunnel gerufen werden, glauben sie noch an den Selbstmord eines Kollegen, auch wenn die Ermittlungen nicht unbedingt einen Grund ergeben, warum sich Norbert Schneider hätte umbringen sollen. Kaum ist der Fall zu den Akten gelegt, ereignet sich genau 2 Wochen später an genau demselben Eisenbahntunnel wieder ein Selbstmord, wieder ist es ein Polizeikollege. Nun wird Lenz stutzig, zumal sein gerade in Pension gegangener Chef Ludger Brandt sich sehr für den Fall zu interessieren scheint und ihr jetziger Chef, Kriminalrat Franz Zwick, die beiden Fälle partout als Selbstmorde deklarieren möchte. Der Kasseler Hauptkommissar fängt an, in der Vergangenheit der beiden toten Kollegen zu forschen und stößt schon bald auf einen 20 Jahre zurückliegenden Fall, indem die Beweislage absolut nicht eindeutig war, der Verdächtige jedoch lebenslänglich erhalten hat.

Eines vorweg: Auch wenn es sich bereits um den 8. Fall von Hauptkommissar Paul Lenz handelt, kann man den Krimi problemlos ohne Kenntnis der Vorgängerbände lesen.

Matthias P. Gibert geht in seinem aktuellen Krimi nicht nur dem Thema Justizirrtum nach, sondern thematisiert auch die Sicherungsverwahrung. Hier vor allem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches besagt, dass nachträglich verordnete Sicherungsverwahrung verfassungswidrig ist. Deswegen müssen hiervon betroffene Straftäter nach ihrer Entlassung in Deutschland unter einer 24-stündigen Überwachung stehen. Dies allerdings ohne erhobenen Zeigefringer, sodass man sich über das Für und Wider selbst seine Gedanken machen kann.

Der komplette Krimi ist realistisch umgesetzt und so kann man auch gut die stupide Arbeit der betroffenen Beamten nachvollziehen, die zu solchen Überwachungen abgestellt sind und  denen durch die Monotonie ihrer Arbeit durchaus auch Fehler unterlaufen können. Wobei allerdings ein Beamter auch dermaßen unsympathisch beschrieben wird, dass man ihm von Herzen diese stupide Arbeit gönnt.

Der Krimi gestaltet sich von Anfang an sehr spannend und rätselhaft. Der Autor wechselt ständig zwischen den Ermittlungen von Lenz und dem Ex-Sträfling Rüdiger Bornmann, der nach gut 20 Jahren aus der Haft entlassen wird. Man ahnt natürlich, dass Bornmann irgendwie in Verbindung mit den Todesfällen stehen muss, sonst würde der Autor diesen Erzählstrang schließlich nicht mit einbauen, hat aber lange Zeit keine Ahnung, um welche es sich handelt. Zumal Bornmann rund um die Uhr bewacht wird und eine starke Gehbehinderung hat. Dank ihrem Ex-Chef, der ein auffälliges Interesses an dem Fall hat, erhalten Lenz und Hain einen vermeintlich heißen Tipp und man fragt sich mit der Zeit schon, inwieweit Ludger Brandt in die Ermittlungen verwickelt ist. Denn das hier ganz offensichtlich etwas in den Kreisen der Kassler Polizei vorgefallen sein muss, ist einem schnell klar, denn dass zwei Polizisten, die sich auch noch persönlich kannten, an genau derselben Stelle Selbstmord begehen, ist schon mehr als seltsam.

So entwickelt sich die Story komplex, interessant und vor allem sehr spannend, hierfür sorgt auch der fesselnde, lebendige Schreibstil des Autors.  Lenz und sein Team ermitteln mehr oder weniger auf eigene Faust, da sie von ihrem neuen Chef Zwick absolut keine Unterstützung erhalten. Dieser ist ein Speichellecker bei seinen Vorgesetzten und Leuten, die etwas zu sagen haben und seine Mitarbeiter behandelt er respektlos und sehr von oben herab.

Daran lässt sich Lenz jedoch nicht stören, geht ihm soweit als möglich aus dem Weg und ermittelt mit stoischer Ruhe weiter. Kraft dazu schöpft er aus seinem Privatleben. Die Scheidung seiner Freundin Maria vom Oberbürgermeister Kassels steht kurz bevor und Maria hat ihm durch die Blume zu verstehen gegeben, dass sie ihn heiraten möchte. Mit den Einschüben in Lenz Privatleben nimmt Matthias P. Gibert zwar immer mal wieder etwas die Spannung aus der Story heraus, dies ist jedoch absolut nicht störend, da man so den Hauptkommissar selbst besser kennenlernt. Und dieser ist ein sympathischer, zwar manchmal zu Wutausbrüchen neigender Mensch, aber ansonsten sehr umgänglich, teamorientiert, verzeiht auch mal einen Fehler und gesteht sich seinen Schwächen ein, wenn auch zähneknirschend.

Fazit: Eine realistisch angelegte, sich vielschichtig entwickelnde, interessante Story, die mit ein wenig Kritik an der Lokal- und Landespolitik versehen ist und einem sehr menschlich agierenden Hauptkommissar.

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